Großer Gewinn für alle!

Jennifer Wilk prüft mit Tobias Wichmann, ob die Schrauben der neu angelieferten Schlafzimmermöbel komplett sind. Durch die Arbeit in der Möbelabteilung hat die junge Frau neues Selbstbewusstsein getankt. Foto: Caritasverband

Emsdetten

Emsdetten/Greven/Saerbeck. Thomas Bergmann (Name geändert) weiß, was er an seiner Arbeit im Kaufhaus der Caritas, kurz KadeCa, hat. „Natürlich ist es schön, mal 50, 60 Euro mehr im Monat zu haben. Aber mir geht es nicht um das Geld“, sagt der Mittvierziger, der lieber anonym bleiben möchte. 

„Durch die Arbeit hier geht es mir gut, ich komme morgens aus dem Bett, der Vormittag ist verplant – ich freue mich auf die Arbeit“, sagt er. Eine psychische Erkrankung hat den gelernten Offset-Drucker vor einigen Jahren aus der Bahn geworfen. Er gehört zu den aktuell rund 50 Personen, für die die Arbeit im Sozialkaufhaus des Caritasverbandes Emsdetten-Greven eine sehr hohe Bedeutung hat.

„Dieser Personenkreis hat keine Lobby“, sagt Tobias Wichmann, Leiter des KadeCa. „Sie werden politisch und gesellschaftlich vernachlässigt.“ Denn trotz aller Bemühungen gelinge es längst nicht allen Teilnehmern von beruflichen Wiedereingliederungsmaßnahmen, fit für den sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu werden. „Uns fehlt ein sozialer Arbeitsmarkt, in dem auch psychisch erkrankte oder suchtkranke Menschen dauerhaft Arbeit finden“, ist Tobias Wichmann überzeugt. 

Andererseits bringen viele Beschäftigte im KadeCa Fähigkeiten mit, von denen auch auch die Unternehmen in der Region angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels profitieren könnten.

In seinem Bereich Arbeit und Beschäftigung kümmert sich der Caritasverband um Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt keine Anstellung finden. Das sind zum einen Langzeitarbeitslose, zum anderen psychisch kranke oder suchtkranke Menschen sowie Personen mit anderen Vermittlungshemmnissen. Unter dem Dach des Caritasverbandes arbeiten sie im Bereich Hausrat, Bekleidung, Möbel, Recyc­ling oder Hausmeisterservice.

„Hier trainieren sie Grundkompetenzen wie Pünktlichkeit, Durchhaltevermögen, Belastbarkeit, Verlässlichkeit“, sagt Tobias Wichmann.

Thomas Bergmann hatte ein mulmiges Gefühl, als er vor rund sieben Jahren seine Tätigkeit im KadeCa aufgenommen hat. „Ich dachte erst: Du bist doch schön doof, dass du hier für fast umsonst arbeiten gehst“, schaut er zurück. Aber er merkte rasch, dass die tägliche Arbeit und das Miteinander der Kollegen eine wohltuende Wirkung hinterließen. „Damals ging es mir viel schlechter“, weiß er. Ihm gibt die Arbeit Struktur im Alltag und sie hilft ihm auch durch Krisenzeiten. Dabei kommt ihm zugute, dass er sich die Arbeit nach seinen eigenen Möglichkeiten einteilen kann. „Da ist kein Druck wie das sonst üblich ist“, sagt er.

Als erste Ansprechpartnerin steht Linda Kies den Beschäftigten im KadeCa zur Seite. Die pädagogische Mitarbeiterin ist auch eine Art Schnittstelle in den Caritasverband und zu anderen Unterstützungsangeboten in der Region. „Wenn zum Beispiel eine Suchterkrankung erst hier auffällt, wenn es Probleme mit den Kindern oder andere Anliegen gibt, dann vermittle ich an die entsprechenden Angebote im Caritasverband und andere passgenaue Angebote in Emsdetten weiter“, sagt sie.

Jennifer Wilk kam durch das Jobcenter der Arbeitsagentur zum KadeCa. Die 29-jährige alleinerziehende Mutter ist seit zwei Jahren arbeitslos. Nach der Ausbildung zur staatlich geprüften Sozialassistentin arbeitete sie unter anderem als Aushilfskraft in einer Fastfood-Kette.

Irgendwann waren die Arbeitszeiten mit ihrem Familienleben nicht mehr vereinbar, sie rutschte in den Hartz-IV-Bezug. Bis Anfang Juli nahm sie an einer Qualifizierungsmaßnahme in der Möbelabteilung teil. „Ich brauchte Struktur und einen geregelten Tagesablauf. Und mir war wichtig, als Mensch gebraucht zu werden“, sagt sie. Zudem wollte sie ihrem Sohn ein gutes Vorbild geben. „Es war mir wichtig, ihm zu zeigen, dass ich nicht nur zu Hause herumsitze“, unterstreicht Jennifer Wilk.

Gut getan hat ihr vor allem die Arbeit im Team, auch wenn sie zunächst Vorbehalte hatte. „Hier wird jeder mit seinen ganz speziellen Problemen aufgenommen. Man wird nicht gleich abgestempelt“, hat sie erlebt. Wie es beruflich mit ihr weitergeht, weiß die junge Frau noch nicht. Aktuell ist sie krankgeschrieben. „Ich muss sehen, was kommt“, sagt sie. Dass sie ihre Fähigkeiten sinnvoll einsetzen kann, hat die junge Mutter nicht zuletzt durch die Arbeit im KadeCa erfahren.
So ergeht es vielen Beschäftigten, sagt Linda Kies.„Manche Menschen sind überrascht, wenn sie feststellen, welche Fähigkeiten sie haben und was alles noch geht.“


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