Selbstbestimmt sterben oder leben bis zum Schluss?

Emsdetten

Kann eine sachliche Diskussion über das hoch-emotional besetzte Thema Sterbehilfe gelingen? Sie kann. Das stellten der Ambulante Caritas-Hospizdienst Emmaus und das haus hannah am Mittwochabend eindrucksvoll unter Beweis.

Sie hatten aus Anlass der „Woche für das Leben“ der katholischen und evangelischen Kirchen in Deutschland zu einem philosophischen Abend zum Thema „Was ist Würde wert?“ in das Begegnungszentrum „Die Brücke“ in Emsdetten eingeladen.

Unter der Überschrift „Selbstbestimmt sterben“ gab der Philosophie-Professor Michael Quante einen prägnanten Überblick über die aktuelle politische und gesellschaftliche Diskussion zum Thema Sterbehilfe. „Im Wesentlichen dreht sich die Debatte nur um einen kleinen Ausschnitt des Themas: Es geht allein um die Möglichkeit eines assistierten Suizids“, verdeutlichte er. Professor Dr. Michael Quante bezog klar Stellung: Er ist ein vehementer Verfechter des selbstbestimmten Sterbens und plädiert für eine allgemeine Anerkennung des ärztlich assistierten Suizids. Allerdings fordert er eine sozial eingebettete Selbstbestimmung.

An seine Forderung nach einem selbstbestimmten Sterben knüpft Michael Quante  eine Reihe weiterer Bedingungen, wie die Ausweitung von Willensbekundungen wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Zudem setzt er sich für den Ausbau begleitender Systeme wie die Palliativmedizin sowie eine begleitende Kultur von alten und kranken Menschen in der Gesellschaft ein.
Damit traf er den Nerv der Gesprächspartner auf dem Podium. So verdeutlichte Christiane Hüer, Leiterin des stationären Hospizes haus hannah, inwieweit eine gute Begleitung den Wunsch nach einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Leben bei Palliativ-Patienten deutlich mindere. Sie forderte eine wissenschaftliche Studie zu dem Thema und fügte scherzhaft hinzu, dass es diese sicher nie geben werde, da ansonsten die Politik die Stellenschlüssel von Pflegeheimen und ambulanten Diensten deutlich erhöhen müsse. Ansgar Kaul, als Leiter des Caritas-Fachbereichs Hilfen für ältere und kranke Menschen auf dem Podium, pflichtete ihr bei: „Wenn ich gewisse Ressourcen nicht zur Verfügung stelle, muss ich mich nicht wundern, wenn immer mehr Menschen einen assistierten Suizid wünschen.“

Klarheit in die Frage, was ein Mediziner eigentlich dürfe und was nicht, brachte Dr. Dieter Scholtyssek, ehemals Chefarzt der Anästhesie im Marien-Hospital Emsdetten und ausgebildeter Palliativ-Mediziner. Zwar habe sich die Bundesärztekammer deutlich gegen den ärztlich assistierten Suizid ausgesprochen. Zuständig seien aber die Ärztekammern der Länder, und gerade die NRW-Kammer verfolge eher eine liberale Politik. Im Gegensatz zu früheren Zeiten leisteten Ärzte heute nicht mehr den Eid des Hippokrates, der eine Beteiligung an jeglicher Form des Tötens verbietet. Heute geloben Ärzte, dass sie ihren Beruf mit Ehrfurcht vor dem Leben ausfüllen und ihr Können niemals wider die Gebote der Menschlichkeit einsetzen.

Die von Dr. Boris Krause, theologischer Referent des Diözesan-Caritasverbandes Münster, moderierte Diskussionsrunde hätte sicher noch viel länger als die angesetzte Zeit in Anspruch nehmen können. Das zeigte die lebhafte Beteiligung aus dem Publikum. Eine Zuhörerin brachte den Tenor des Abends auf den Punkt: „Die Debatte muss viel früher ansetzen, nicht erst bei der Frage, wie wir das Sterben, sondern wie wir das Älterwerden begleiten. Je positiver das verläuft, umso gelassener können wir der Debatte um assistierten Suizid entgegensehen, denn die Zahl der Patientenanfragen ließe sich so ganz sicher reduzieren.“


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