Strauhspier hält das Plattdeutsche lebendig

„Strauhspier“ – das sind (v.l.) Hermi Sürken, Nikolaus Evers und Helmut Schnieders. Foto: Hermann Willers

Rheine

Rheine (isr). „Guten Tag, Frau Schulte Renger, hier ist Nikolaus Evers...“. Moooment. Ich kenne diese Stimme. „Von der Gruppe Strauhspier!“, bestätigt er nur Sekunden später meinen Verdacht.

Strauhspier – richtig! Die Rheiner Band, die auf Plattdeutsch singt. „Wir haben wieder eine neue CD!“, ergänzt der Mann mit dem angenehmen Timbre. 

Das letzte Album der Band erschien 2012. „Füör all düt un füör all dat“ – so hieß die CD auf Platt, die ich seinerzeit rezensieren durfte, und die mir, einem Kind der 80er Jahre, aufgewachsen in den 90ern mit zumeist englischen Rock-, Pop- und Technosongs, erstaunlicherweise sehr ans Herz gewachsen ist. Denn auch heute tönen aufmunternde Strauhspier-Songs wie „Nackich inne Iemse“ (über ein Bad im Adamskos­tüm in der Ems) auf langen Autofahrten tatsächlich ab und an noch mal aus den Boxen meines CD-Spielers.

Ich bin daher gespannt wie ein Flitzebogen, als ich das neue Album „Gistern, vandage... un muorn? Allet wät gued!“ („Gestern, heute... und morgen? Alles wird gut!“) einlege. War das damals nur so eine „einmalige Geschichte“ zwischen mir und der plattdeutschen Musik? Oder stehe ich immer noch auf den Humor der Band, auf ihre Spielfreude und die leise Nostalgie, die stets so charmant durchschimmerte auf der letzten CD?
Song Nummer 1 beginnt – und mir vertraute Töne erklingen. Ich stutze. Vertraut? Ja, tatsächlich! „Stell di maol vüör“ („Stell dir mal vor“) ist eine nahezu 1:1 umgesetzte Übersetzung von John Lennons „Imagine“ ins Plattdeutsche. Gebannt höre ich zu. Und mag das Ergebnis.

Weiter geht‘s mit „Umsüss“ („Umsonst“), einem leisen Song mit schöner Aussage: Die netten Dinge im Leben, das Lachen eines Kindes, die Sonne, Regen, Wind, das Leuchten des Mondes, kann man nicht kaufen – „das Bes­te, das wird uns geschenkt“.

Titel Nummer 3 wurde, wie ich dem Booklet entnehme, von einem alten Bekannten geschrieben: „Allet wät gued“ stammt aus der Feder von Otto Pötter, der plattdeutsche Geschichten veröffentlicht und häufiger bei uns im Kreis Lesungen abhält. Eine entspannte Nummer, die ein feines Gegenstück zur allgemeinen Jammerstimmung darstellt.

So richtig Spaß macht mir sofort Lied Nummer 6 – „Bi Tante Meier“ (Anspieltipp!): „Klingelingel mök die Bimmel, wenn du drinkams. Dao gawt allet und auk nix un‘n Haupen Krimskrams. Un dat Beste was: Bruks gar nich wiet to laupen. Wat di feihlde, konns bi Tante Meier kaupen...“ („Klingelingel machte die Bimmel, wenn du herein­kamst.

Da gab es alles und auch nichts und einen Haufen Krimskrams. Und das Beste war: Du brauchtest gar nicht weit zu laufen. Was dir fehlte, konntest du bei Tante Meier kaufen...“). Herrlich! Eine Hommage an den kleinen netten Tante Emma-Laden von nebenan – und das nach der Musik des traditionellen „Jambalaya“ (On the Bayou), das mir noch von Hank Williams im Ohr geblieben ist. Vergnügt grinse ich erst vor mich hin, singe dann sogar – mutig geworden – auch noch mit. Ja, Strauhspier macht mir immer noch Spaß!

Was mir mittlerweile sowohl auf- als auch gefällt: Auf „Gistern, vandage... un mourn?“ sind doch auch ein paar persönlichere und nachdenklich stimmende Stücke zu finden. In „An Vader...“ möchte Evers gern mal wieder ein „bietken Platt“ vom Papa hören, in „Dat sall sik wull riegen“ („Das soll sich wohl finden“) spaziert der „kleine Nikolaus“ an der Ems entlang, der Nebel steigt auf und schließlich wird er von seinem Vater gefunden und heimgebracht. Bei „Bineenerstaohn...“ („Beieinander stehen...“) fühlt man sich geborgen; melancholisch und doch auch irgendwie beruhigend kommen diese Stücke daher. Selbiges gilt für „Terüg an de Iemse“ („Zurück an der Ems“) zur Melodie von „Boat on the River“ (Styx), einem Song, von dem ich eigentlich gedacht hatte, dass er nur mich allein stets an die Ems denken ließ, sobald ich ihn im Radio hörte. Strauhspiers Adaption liebe ich schlichtweg.

Was soll ich sagen? Die neue Strauhspier-CD ist abwechslungsreich und fesselt jeden, der das Plattdeutsche mag und auf Songs steht, in denen noch Geschichten erzählt werden. Alle, die des Plattdeutschen nicht mächtig sind, finden im Booklet übrigens auch die hochdeutschen Übersetzungen. Was die ins­trumentale Seite anbelangt, kommen Akkordeon, Mundharmonika, Keyboard, Gitarre, Percussion, Banjo, Mandoline, Dulcimer, Dobro, die Veeh-Harfe und auch ein Bass (Andy Brink) zum Einsatz.

Textlich gesehen hat sich Nikolaus Evers unter anderem Unterstützung geholt bei Otto Pötter und Georg Reinermann. Letzterer ist Plattdeutsch-Freunden aufgrund seiner Gruppe „De Tüüners“ aus Emsdetten ein Begriff.
Und wie kann man den Stil der Band beschreiben? „Wir spielen Sachen, die wir selbst gerne hören – Blues, Rock, Folk, Liedermacher, Zigeunerjazz – und wir wollen das Plattdeutsche lebendig halten. Wir werden diese Sprache zwar nicht retten – aber wir können sie kulturell pflegen“, lächelt Nikolaus Evers. Dabei ist Strauhspier vor allem eines wichtig: die Nähe zum Publikum. Das merkt man, wenn man die Auftritte der Band erlebt. Schon mal merken – folgende Gigs sind unter anderem in diesem Jahr geplant:

• 27. Mai, Wettringen: 11 Uhr, Open Air-Liederfestival
• 12. Juli, Emsdetten: Serenadenabend
• 26. August, Rheine: Stadtparkkonzert
• 26. Oktober, Ledde: Dorfgemeinschaftshaus

Eine letzte Frage an Nikolaus Evers habe ich bei unserem Gesprächstermin noch: Warum knallt es in der Band, die immerhin schon seit 1981 gemeinsam auftritt, nicht? „Weil wir sowas wie ein altes Ehepaar sind, das sich nicht zu Proben, sondern eher zu einer Art ‚Männertherapie­abend‘ trifft. Erst wird ge­quatscht, dann gespielt. Wir sind freundschaftlich sehr stark zusammengewachsen, sodass wir uns stets austauschen und untereinander helfen...“, antwortet Nikolaus Evers lachend. Dessen Lieblingssstücke sind übrigens die Songs „Dat sall sik wull riegen“ und „Bineenerstaohn“. Einfach mal reinhören!

„Gistern, vandage... un muorn?“ hat eine Auflage von 1.000 Exemplaren und ist erhältlich im Musikhaus Fockers, in der Buchhandlung Eckers (beide in Rheine) sowie über die Seite www.strauhspier.de


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