Klimaschutz als Pflichtaufgabe der Kommune?

In Sachen Stromerzeugung hat Saerbeck das selbstgesteckte Klimaziel mehr als erreicht. Jetzt geht es an die nächsten Projekte. Das Ziel: Klimaneutralität. Foto: Gemeinde Saerbeck

Emsdetten

Saerbeck. Aufmerksam verfolgen die Akteure der Klimakommune Saerbeck die Diskussion nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimapaket der Bundesregierung.

Das Gericht hatte die Maßnahmen als unzureichend angesehen; die Bundesregierung hat unmittelbar nach dem Urteil die Klimaziele angepasst und strebt nun für das Jahr 2045 (statt 2048) die Klimaneutralität an. Für die Klimakommune ist das Urteil Bestätigung und zugleich Ansporn, den Saerbecker Weg weiter zu gehen.

Bürgermeister Dr. Tobias Lehberg, von Hause aus Jurist, hat sich die Gerichtsentscheidung genau angesehen und knüpft nach der intensiven Lektüre an einen Gedanken an, den er schon bei der Kandidatenvorstellung des Fördervereins Klimakommune geäußert hatte: Klimaschutz als eine künftige Pflichtaufgabe der Kommune. „Ich denke, in dem Urteil gibt es Ansatzpunkte, die die Diskussion in diese Richtung bringen.“ Für Saerbecks Bürgermeister ein konsequenter Schritt, denn damit wäre der Klimaschutz strukturell und rechtlich abgesichert. Dr. Lehberg: „Das ist dann etwa wie beim Ordnungsamt. Da kann man es sich als Kommune nicht aussuchen, ob man dieses Amt im Rathaus einrichtet oder nicht, sondern es ist eine Pflichtaufgabe.“

Dass Klimaschutz ein Teil der staatlichen Daseinsvorsorge sein sollte, steht für Klimakommune-Projektleiter Guido Wallraven außer Frage. „Wir haben das in Saerbeck immer schon so gesehen und entsprechend gehandelt. Wir sind, das können wir selbstbewusst sagen, drei Schritte voraus, was Klimaneutralität angeht“, blickt Wallraven auf die Erfolgsgeschichte der grünen Stromerzeugung im Dorf. Zugleich erinnert Wallraven an das Ziel der Energieautarkie in Saerbeck. „Da sollten wir dranbleiben.“

Nun geht es um die nächsten Punkte: Wärmewende und Mobilitätswende. „Das sind dicke Bretter, die gebohrt werden müssen“, sind sich Bürgermeister und Projektleiter einig. Denn beide Bereiche betreffen unmittelbar individuelle Entscheidungen der Bürger und ihren Alltag. Trotzdem oder gerade deshalb: „Wir sollten als Klimakommune ein Scharnier herstellen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes“, wirbt Guido Wallraven für die nächsten Projekte, die unter dem Schlagwort „Klimakommune 2.0“ zusammengefasst werden.

So sieht es auch Dr. Tobias Lehberg:

„Wir fallen als Klimakommune weit zurück, wenn wir jetzt stehen bleiben.“

Der eingeschlagene Weg zur Klimaneutralität soll fortgesetzt werden, zunächst in kleinen Schritten, genau wie zum Start des Projektes vor über zehn Jahren. Beim Thema Wärmewende, bei dem es um klimafreundliche Heizungstechnik geht, sollen z. B. Beratungsmöglichkeiten geschaffen werden. Gerade die Beratung ist wichtig: „Als Klimakommune haben wir eine Dienstleistungs- und Servicefunktion“, so Guido Wallraven. Zugleich sind Informationen unverzichtbar, um zu überzeugen. „Wir müssen die Bürger mit ins Boot holen, das war schon beim Auftakt der Klimakommune unser Erfolgsrezept“, erinnert sich der Klimakommune-Projektleiter. Für den Herbst 2021 ist deshalb eine Bürgerversammlung zur „Klimakommune 2.0“ geplant.

In Sachen Mobilität setzt Bürgermeister Dr. Lehberg auf eine Verbesserung des ÖPNV-Angebotes. „Das ist nicht die Verkehrswende, sondern ein erster Schritt dahin.“ Zugleich sieht er Saerbeck dank der Siedlungsstruktur besser vorbereitet für die E-Mobilität als etwa die großen Städte im Land. Guido Wallraven nimmt das Potential des Bioenergieparks für Grünen Wasserstoff in den Blick, der in der Mobilität der Zukunft ebenfalls eine Rolle spielen wird, etwa bei Nutzfahrzeugen. Hier könnte die Klimakommune mit dem eigenen Fuhrpark ein Beispiel setzen. Die Ansiedlung des Unternehmens Enapter ist daher ein wichtiges Signal. „Es ist ganz klar: Wir wollen weiterhin Leuchtturmprojekte in Saerbeck realisieren“, so der Bürgermeister, „aber wir müssen ebenso die Bojen im Fahrwasser, also die kleineren Projekte, ansteuern.“


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