Vom Schandfleck zum Traumhaus

Auf der Fachwerkhofanlage der Familie Pöpping in Elte sind typische Heuerhäuser zu sehen. Foto: Martin Skibicki

Greven

Greven. „Zwei Jahre lang war ich mit dem Fotografen Martin Skibicki im ganzen Nordwesten für das Buch unterwegs.“ Dieses Fazit zieht Autor Bernd Robben am Ende seines neuen Werkes.

Wegen des gro­ßen Erfolges seines Buches „Wenn der Bauer pfeift, müssen die Heuerleute kommen“, das er zusammen mit dem Historiker Dr. Helmut Lensing aus Greven verfasst hat, hielt der pensionierte Schulleiter seit 2014 rund 100 Vorträge im Raum zwischen niederländischer Grenze und Bielefeld.

Immer wieder, so berichtet Robben, sprachen ihn nach den Vorträgen Menschen an, die nun in einem umgebauten Heuerhaus wohnten, und luden ihn ein, doch selbst zu sehen, was sie aus den ehemaligen dörflichen Schandflecken geschaffen hatten. Dieses Angebot nahm er an – und bald war er fasziniert davon, was aus den ehemaligen dörflichen Schandflecken geworden war. So suchte er mit dem Fotografen Martin Skibicki überall umgebaute Heuerhäuser. Bei Einverständnis der neuen Bewohner wurde deren zumeist hochwertiges Domizil von außen und innen auf Bild festgehalten und Informationen über die Geschichte des Hauses besorgt.

Die älteren Münsterländer können sich noch an die alten Heuerlingskotten erinnern, denn man sah sie seinerzeit überall im ländlichen Außenbereich des deutschen Nordwesten; Wind und Wetter überlassen und langsam verfallend, manchmal noch zweckentfremdet als Stall oder Schuppen genutzt. Als schnell und billig gebaute und beengte Behausung der ländlichen Unterschichten galten sie als dörfliche „Schandflecken“. Wie der Kreis Tecklenburg zahlten damals münsterländische Kreise und Kommunen sogar Abbruchprämien, um leer stehende Kotten schnell verschwinden zu lassen. Ansons­ten half die Feuerwehr dabei kräftig mit; sie übte nämlich auf Bitten der Besitzer an ihnen häufig das kontrollierte Abbrennen.

Fährt man heute durch den Nordwesten, erkennt man sie kaum wieder. Abseits vielbefahrener Wege haben kreative Menschen mit viel Liebe zum Detail, ungezählten Arbeitsstunden und offenbar auch dem Einsatz beachtlicher Summen eine Reihe dieser Kotten für die Gegenwart bewahrt und daraus jeweils ihr ganz individuelles Traumhaus – für sich oder eine Gemeinschaft – geschaffen.

Sie zeigen mit kurzen Textinformationen und über 800 opulenten Fotos von der inneren wie äußeren Hausgestaltung mitsamt Garten oder Hof, wie sich die früher einfachsten Behausungen der Heuerleute inzwischen zu traumhaft schönen und sehr individuellen Landhäusern gewandelt haben. Die Bilder bieten viele Gestaltungs­ideen für Haus und Hof. Da insbesondere im Münsterland relativ viele Kotten erhalten geblieben sind, ist es mit zahlreichen Beispielen im Buch vertreten, darunter auch einige Töddenhäuser aus dem Altkreis Tecklenburg und dem südlichen Emsland, da die Tödden vielfach von Heuerlingen abstammten oder Heuerlinge als Packenträger beschäftigten.

Im starken Kontrast zum gehobenen Wohnkomfort der heutigen umgebauten Heuerhäuser stehen die Lebensverhältnisse der ursprünglichen Bewohner. Diesen Aspekt klammern die Autoren bei allen idyllischen Fotos keineswegs aus, weder im Bild noch im Text. In den nach den Regionen des Verbreitungsgebiets geordneten Kapiteln findet sich eine Reihe kurzer Fachaufsätze zum Thema „Heuerhäuser“ und „Leben im Heuerhaus“, die von der damaligen Bauweise von Heuerhäusern, dem Baurecht im Außenbereich, dem harten Leben von Heuerlingsfrauen und -mädchen, dem kargen und gesundheitsschädlichen Wohnen in den engen und kalten Häusern, den damit verbundenen typischen Krankheiten bis hin zu den ständigen Streitigkeiten zwischen Bauern und Heuerlingen über deren Behausungen reichen.

Zu bestellen ist das Buch unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und kostet 29,90 Euro, erhältlich auch im Buchhandel. Die gebundene Ausgabe hat 332 Seiten, ISBN-10: 3981839323, ISBN-13: 978-3981839326.


Anzeige