Für stabile Deiche und Böschungen

Physiklaborantin Friederike Schmale prüft die Beständigkeit einer Textilprobe in einem Zugversuch. Foto: Kiwa GmbH TBU

Greven

Greven. Die Starkregenereignisse im Mai haben Brücken, Böschungen und Dämme im Münsterland einmal mehr herausgefordert. Maßgeblich für einen verlässlichen konstruktiven Hochwasser- und Erosionsschutz sind sogenannte Geotextilien. Sie filtern, trennen, schützen oder stabilisieren und erfüllen damit wichtige Funktionen im Tief-, Erd- und Hochbau.

Die Kiwa TBU GmbH, ein An-Institut der FH Münster mit Sitz in Greven, stellt seit 25 Jahren sicher, dass heute entwickelte Geotextilien auch nach mehreren Jahrzehnten im Einsatz zuverlässig funktionieren. Aus streng wissenschaftlich aufgebauten Kurzzeitversuchen werden Langzeitvorhersagen zur Beständigkeit der Baustoffe abgeleitet. Damit leistet die Kiwa TBU GmbH einen wichtigen Beitrag zum Hochwasser- und Erosionsschutz sowie zur Sicherheit unserer technischen Infrastruktur.

„Die Geotechnik regelt die Interaktion zwischen Bauwerk und Baugrund“, sagt der wissenschaftliche Leiter der Kiwa GmbH TBU, Professor Frank Heimbecher. Was sich abstrakt anhört, hat im Alltag ganz konkrete Konsequenzen, erklärt Heimbecher: „Im Klartext: Ohne ordentliches Fundament würde kein Gebäude stehen bleiben, kein Tunnel ließe sich vernünftig bauen, kein Deich hätte lange Bestand.“ Anstelle von klassischen Stahlbetonkonstruktionen setzt die Baubranche vermehrt auf Geokunststoffe zum Beispiel für Stützwände. Zu den exponierten Projekten im Münsterland zählen etwa der Böschungs- und Dammbau an der A1 oder die Ortsumgehung Altenberge.

Aus Kurzzeitexperimenten Langzeitvorhersagen ableiten

Die Krux: Solche Bauwerke müssen weit über 30 Jahre funktionieren und Bestand haben. Geotextilien sind aber sehr moderne und damit junge Baustoffe. Langzeiterfahrungen unter realen Bedingungen liegen noch nicht ausreichend vor. Also müssen valide Erkenntnisse in Laborexperimenten gewonnen werden.

Genau hier kommt die Kiwa GmbH TBU ins Spiel. In stringent wissenschaftlich aufgebauten Kurzzeitversuchen werden die Witterungseinflüsse und statischen Bedingungen simuliert, denen die Baustoffe über Jahrzehnte ausgesetzt sind. „Wir unternehmen mit den Geotextilien sozusagen eine bauphysikalische Zeitreise“, sagt Heimbecher. Als „Zeitmaschinen“ dienen luftdicht verschließbare Druckbehälter, sogenannte Autoklaven sowie Klimakammern mit Bewitterungs- und Testwänden. Die so gewonnenen Daten geben Aufschluss über das Verhalten der Produkte in der praktischen Anwendung.

Für die Hersteller ist die Zertifizierung nach internationalen Standards durch ein akkreditiertes Institut Voraussetzung dafür, die eigenen Produkte in den Markt bringen zu dürfen. Aber auch bei Forschung und Entwicklung sowie der laufenden Qualitätssicherung begleitet das An-Institut die Hersteller. Für Sonderprüfungen mit spezifischen Anforderungsprofilen entwickeln die Grevener individuelle Versuchsanordnungen und Prüfverfahren. Derzeit erforscht Heimbecher mit seinem Team das Tragverhalten von Gabionenkonstruktionen.

Die aus dem Garten- und Landschaftsbau bekannten, mit Steinen gefüllten Drahtkörbe dienen im Straßen- und Wegebau als Sicht- oder Lärmschutz aber auch als Stützbauwerke. Diese können bis zu zehn Meter und höher werden und stellen somit echte Ingenieurbauwerke dar. Dabei werden sie hohen Beanspruchungen ausgesetzt. Ihre Standsicherheit muss daher dauerhaft gewährleistet sein. „Mit den Einrichtungen der Kiwa GmbH TBU prüfen wir in Zusammenarbeit mit der FH Münster diese Konstruktionen auf Herz und Nieren“, so Heimbecher.


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