15-facher Freiraum für ein selbstbestimmtes Leben

Insa Seegers (v.l.), Josef Kerkmann und Bernhard Steinbreede sind froh, dass sie in der Hausgemeinschaft an der Königstraße 73a in Greven für sich den passenden Ort zum Leben gefunden haben. Foto: Caritas

Greven

Greven. Insa Seegers weiß, was sie an der Hausgemeinschaft des Caritasverbandes Emsdetten-Greven hat. „Ich bin nicht allein. Ich spüre, dass ich Kontakt habe und bei Bedarf jemand da ist“, sagt die 51-Jährige. Als Haussprecherin hält die hörgeschädigte Frau Kontakt zu all ihren Nachbarn. „Einmal im Monat ist Hausversammlung – dann besprechen wir alles, was die Hausgemeinschaft betrifft“, sagt sie.

Für Insa Seegers und ihre insgesamt 14 Nachbarn bedeutet die Hausgemeinschaft an der Königstraße in Greven vor allem eines: Geborgenheit im Bedarfsfall und zugleich Freiraum für ein selbstbestimmtes Leben. Vor knapp zwölf Jahren schuf der Caritasverband Emsdetten-Greven mit der Immobilie an der Königstraße einen Wohnort für Erwachsene mit körperlicher und / oder geistiger Behinderung beziehungsweise Sinnesbehinderung. „Am Anfang haben wir hier ambulant betreutes Wohnen unter einem Dach für Menschen mit Behinderung angeboten. Seit gut einem Jahr führen wir das Haus als offiziell anerkannte Hausgemeinschaft für Menschen mit einem hohen Betreuungsbedarf“, erklärt Michaela Kopp, Fachbereichsleiterin Hilfen für Menschen mit Behinderung.

Das neue Konzept bedeutet für die Bewohner: Im Bedarfsfall finden sie immer einen Ansprechpartner vor Ort. „Als Hausgemeinschaft können wir nun auch Bewohner aufnehmen, die aufgrund ihrer Behinderung einen hohen Betreuungsbedarf haben und sich von daher nicht allein versorgen können“, sagt Michaela Kopp. So leben seit einiger Zeit drei Rollstuhlfahrer im Haus, die sich aufgrund ihrer Behinderung nicht allein versorgen können.

Wenn die Mieter der Hausgemeinschaft am Spätnachmittag von ihrer Arbeit in der Werkstatt oder aus der Tagesbetreuung kommen, ist Dienstbeginn für die Fach- und Assistenzkräfte des Caritasverbandes. Nachts ist eine Nachtbereitschaft vor Ort und für die Bewohner erreichbar. Wenn Mieter der Hausgemeinschaft wegen Urlaubs oder Krankheit im Hause sind, ist immer eine Präsenzkraft für den Notfall vor Ort. Die Kollegen des Frühdienstes helfen in den Morgenstunden beim Start in den Tag. Im Unterschied zu einer stationären Einrichtung müssen die Mieter der Hausgemeinschaft allerdings in der Lage sein, stundenweise allein ihren Alltag zu regeln.
Hinzu kommen weitere Betreuungs- und Fachleistungsstunden für jeden einzelnen Bewohner.

„Bevor hier jemand einzieht, gibt es ein sogenanntes Clearing-Verfahren, in dem gemeinsam mit dem Anbieter der Hausgemeinschaft, dem rechtlichen Betreuer, dem zukünftigen Nutzer selbst und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe festgelegt wird, wie viel Unterstützung jeder einzelne benötigt“, erklärt Michaela Kopp. Das können Assistenzen bei der Haushaltsführung, psychosozialen Problemen oder bei Verwaltungstätigkeiten sein, Unterstützung bei alltäglichen Dingen und vieles mehr. Zudem bekommen einige Mieter der Hausgemeinschaft Unterstützung durch den ambulanten Pflegedienst.

Für Insa Seegers und ihre Nachbarn Bernhard Steinbreede und Josef Kerkmann zählt vor allem die Gemeinschaft im Haus. Vor elf Jahren zogen die beiden Männer an die Königstraße. Bernhard Steinbreede hatte zuvor allein in Warendorf gelebt. „Das war nicht schön. Hier ist es besser, hier bin ich nicht allein“, sagt er. Auch Josef Kerkmann ist seiner ehemaligen Betreuerin dankbar dafür, dass sie ihm den Tipp mit der Hausgemeinschaft gegeben hat. „Es ist besser, in einer Gruppe zu sein“, sagt er. Die beiden Männer sind inzwischen in Rente. Ihren Tag verbringen sie in der Tagesbetreuung für Senioren, die im Erdgeschoss des Hauses untergebracht ist.

Michaela Kopp verwundert es nicht, dass die Nachfrage nach Angeboten wie die Hausgemeinschaft steigt. „Das Konzept ist eine Art Brücke zwischen eingestreutem ambulant betreuten Wohnen, das ein hohes Maß an Eigenständigkeit verlangt, und dem Leben in einer stationären Einrichtung. Hier leben Menschen, die ganz klar entschieden haben, dass sie nicht in einem Wohnheim leben möchten, die aber andererseits auch nicht ganz auf sich gestellt wohnen möchten oder können.“


Anzeige