Vortrag über NS-Opfer und Täter in Rheine

Die Zuhörer lauschten gebannt. Foto: Siefen

Rheine

Rheine. Der sehr beeindruckende Vortrag des Historikers André Schaper zog die etwa dreißig Gäste von WelCome In! Wohnzimmer in seinen Bann. Schon zu Beginn seines Vortrages machte Schaper deutlich, dass es unter der Bevölkerung in Rheine nicht nur Opfer, sondern auch Täter gab.

Die Liste der Bürger jüdischen Glaubens die Opfer des Holocaust wurden ist lang: Ob der erst 16-jährige Schüler Fritz Eichenwald, die 23-jährige Verkäuferin Henriette Abrahamson, der 64-jährige Viehhändler Eduard Mendel oder der 76-jährige Händler Simon Goldstein – sie alle wurden in Auschwitz oder anderswo ermordet. Von den etwa 60 Bürgern jüdischen Glaubens überlebten nur zwölf. Die wenigen, die vor den Nazis in die Niederlande flohen, wurden von diesen nach dem Überfall der deutschen Truppen im Mai 1940 festgese-tzt und in den Osten verschleppt. In den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald, Sobibor, Stutthof, Theresienstadt, Westerbork sowie im Ghetto Lodz und im Internierungslager Gurs in den französischen Pyrenäen sterben insgesamt mindestens 49 jüdische Mitbürger aus Rheine.

Dabei waren alle schon seit langem in Rheine ansässig und gesellschaftlich integriert. Erste Hinweise auf Bürger mit jüdischem Glauben werden in der Chronik unserer Stadt bereits im 17. Jahrhundert erwähnt. Später wuchs die Gemeinde auf über 50 Familien mit 160 Mitglieder an.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten flohen einige schon früh ins Ausland, vornehmlich in die USA. Die Mehrheit jedoch verblieb. Sie waren schließlich Deutsche und zunächst nahmen sie die Nationalsozialisten auch nicht wirklich ernst, obwohl diese aus ihrem Antisemitismus nie einen Hehl gemacht hat. Anfang der dreißiger Jahre nahm dann auch in Rheine das Unheil seinen Lauf und erreichte 1933, mit dem Boykottaufruf der jüdischen Geschäfte, einen vorläufigen Höhepunkt. Es kam zu Geschäftsschließungen und -verkäufen, wobei diese oft nur zu einem Bruchteil ihres Wertes veräußert werden mussten. Am 9. November 1938 wurde auch die Synagoge im Rahmen des Novemberpogroms ein Opfer der Flammen: Die SA verwüstete das Gotteshaus und zündeten es später an. Noch in der gleichen Nacht liefen sie marodierend durch die Straßen der Stadt. Nur wenige Tage später wurde die Ruine abgerissen. Alle jüdischen Männer unter 50 Jahren wurden inhaftiert.

Maßgeblich an der Verhaftung und anschließend Verschleppung mehrerer Bürger war der Kriminalbeamte Josef Everding. Helene Tübergen beispielsweise, die 1944 auf Everdings Betreiben hin ins Konzentrationslager kam, war eine der wenigen Überlebenden des Holocaust aus Rheine, die ihn schwer belastete. Everding aber wurde nie für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Ebenso wenig wie Jacob Johan Kamphuis, der erst 1941 freiwillig der SS beitrat und zuletzt im Referat II des Vernichtungslagers in Auschwitz tätig war. Der inzwischen zum Unterscharführer aufgestiegene Kamphuis war wegen seiner brutalen Verhörmethoden unter den Gefangenen gefürchtet. Ob er in Auschwitz auch Mitbürgern aus Rheine begegnete ist nicht überliefert...


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