Wo ist die Ruhe hin?

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Stephan Us liegt die Poesie auf der Zunge. Foto: Kloster Bentlage

Rheine

Rheine. „Das Lärmen der Welt wird immer lauter, greller, schneller. An allen Ecken, von links und rechts, von oben und unten, in kleinen wie in großen Systemen, wird versucht, lauthals Aufmerksamkeit zu erhaschen, rastlos keinen Stillstand zu haben und im digitalen Rauschen zu übertönen“, schreibt der Künstler Stephan Us selbst über sein aktuelles Performanceprojekt „Pssssst!“.

Darin fokussiert er sich genau darauf: Inne zu halten und der lautlosen Poesie zu lauschen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen sich alles verändert und übertönt wird von dem Wort „Corona“, muss man sich daran erinnern, dass es noch eine Welt außerhalb der Krise gibt. Stephan Us trägt dafür jeden Tag ein Gedicht zum Thema Stille und Schweigen in seinem Mund. Sobald das Papier beginnt, sich aufzulösen und von Speichel durchnässt ist, formt er es zu einer Kugel. Täglich lässt er damit diese Masse aus Poesie und Bakterien wachsen. Die Worte, Textfragmente und starken Sätze der Schriftsteller und Philosophen werden in dieser Masse gebunden. 

Stephan Us lebt und arbeitet als Künstler, Kurator, Vermittler und Dozent in Münster und da, wo er sich gerade befindet. Seine Performance „Pssssst!“ startete am 21. März, Welttag der Poesie, und damit während der Corona-Krise. Seit Pfingsten zeigt das Kloster Bentlage den Juni über einen Zwischenstand der Performance im Kreuzgang Nord. Dort wird das ­Poesieprojekt in Form von Fotos und Texten dokumentiert. Alle Gedichte werden lesbar ausgestellt – ebenso wie Fotos, die den Künstler bei seiner Performance zeigen.

Doch das Projekt „Pssssst!“ geht weit über die Poesie-Kugel hinaus. Es ist eine offene Arbeit, in der alles möglich zu sein scheint und Ideen von vielen Orten und Menschen zusammengeführt werden. „Stille Orte” des Münsterlandes und der Welt haben Bezug zu der Performance, andere Künstler leisten Beiträge zu der Ausstellung und jeder, der seinen Gefühlen und Gedanken Ausdruck verleihen möchte kann mitwirken. Diese und weitere Ergebnisse werden Ende des Jahres ebenfalls in Bentlage in einer umfassenden Ausstellung auf der Ökonomie zu sehen sein.

Im Austausch mit den Menschen erforscht Stephan Us das zentrale Thema „Stille“: es wird still während der Auseinandersetzung mit Us‘ Arbeit. Neue und leise Räume sind auf der Welt entstanden und in dieser Ausstellung gerahmt worden. Sie bekommen einen Ausdruck und die Abwesenheit des Lärms wird beim Namen genannt.


„Pssssst!“ – eindringlich und klar verlangt die Ausstellung nach Ruhe. Geöffnet ist die Ausstellung dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Infos gibt es unter 05971 / 918468 und www.kloster-bentlage.de.


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