Ein Rheiner Kleinod wird aus dem Schlaf erweckt

Die Viehtreppe (l.) ist vermutlich international einmalig. Die Forscher stoßen im alten Mauerhaus an der Münsterstraße 27 übrigens beinahe täglich auf Überraschungen: Der abgebildete Durchgang (o.r.) wurde erst kürzlich freigelegt. Die Mitglieder des Vereins Historische Altstadt e.V. und der Vorstand der Stiftung Kleines Bürgerhaus (u.r.) freuten sich bei der Preisübergabe an den Verein jetzt gemeinsam über die Fortschritte. Fotos: Schulte Renger

Rheine

Rheine (isr). Unscheinbar scheint es – und doch hat es so viel zu erzählen über Rheine, seine Bewohner sowie Zeit- und Stadtgeschichte: Die Rede ist vom Mauerhaus in der Münsterstraße 27. Derzeit wird es näher erforscht vom Verein Historische Altstadt Rheine e.V.

Erst 2019 wurde der Verein gegründet und nicht einmal 21 Monate später nun bereits für seine Bemühungen, Stadtgeschichte erlebbar zu machen, ausgezeichnet. Die Stiftung Kleines Bürgerhaus würdigte die Bemühungen des Rheiner Vereins und jene von Ulla Grüne-wald und Wolf Bredow in Herzlake, ein verfallendes Handwerkerhaus zu retten, mit je 5.000 Euro. Beworben um den Preis „scheinbar unscheinbar“ hatten sich insgesamt 30 Anwärter. Alle zwei Jahre wird der Preis vergeben.

Bei der Stiftung Kleines Bürgerhaus handelt es sich um eine Treuhandstiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Auch deshalb ist es dem Rheiner Verein eine große Ehre, ausgezeichnet worden zu sein. Seine Erforschung des „Kleinen Bürgerhauses“ in Rheine hat schon jetzt Spannendes ergeben. Das Mauerhaus entstand vermutlich in den Jahren 1560 bis 1580. Seine Fundamente jedoch sind viel älter: Im Keller sind Überreste der Stadtmauer Rheines sichtbar, die von 1320 bis 1325 stammen.

Dass das Haus diese Überreste aufweist, hat einen einfachen Grund: Baumaterial war auch im Mittelalter teuer – und als die Stadtmauer ihren Nutzen, die Stadt zu befestigen, verloren hatte, diente es quasi als bereits vorhandene Grundmauer eines neuen Hauses. Mauerhäuser wurden „overgetimmert“ – die enge Münsterstraße wurde einfach überbaut, um mehr Wohn- und Lagerraum zu schaffen. Über die Viehtreppe wurden Ziegen und Schafe der Kleinbürger im 19. Jahrhundert geradewegs durch Haustür und Wohnräume zur tiefer gelegenen Böschung am Stadtgraben getrieben. Im Keller des Hauses sind zudem Überreste eines alten Durchganges, wohl aus dem 18. Jahrhundert, zu sehen, auf den die Forscher gerade erst gestoßen sind. Auch die Wirkungsstätte eines Metzgers aus den 1940er Jahren ist zu bestaunen: Fleischerhaken hängen an der Decke; der Tisch, auf dem die Tiere, angereicht durchs kleine Fenster, verarbeitet wurden, ist mit Zeitungen von 1942 ausgelegt. Seit über 230 Jahren hat die Familie Brüning als Kleinbürger mit Viehwirtschaft, als Metzger und Handwerker im Mauerhaus in der Münsterstraße 27 gelebt.

Alle Ergebnisse der aktuellen Forschungen sollen – so Gott und Corona wollen – Ende Januar im Rahmen einer größeren Veranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dann geht es darum, eine Machbarkeitsstudie zu realisieren, um dem Ziel, das alte Traufenhaus für alle Interessierten fachgerecht zu sanieren und zur Besichtigung verfügbar zu machen, wieder ein Stück näher zu kommen.

Wir halten Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.

Fleischerhaken an der Decke und ein Fenster, durch das wohl die zu verarbeitenden Tiere gereicht wurden: Dr. Peter Rohlmann, 1. Vorsitzender des Vereins Historische Altstadt e.V., ist selbst überrascht von der Vielfalt des Mauerhauses. Fotos: Schulte Renger


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