Die Grünen besuchten Kinder- und Jugendheim

Treffen zum „Fachgespräch“. Foto: Grüne Rheine

Rheine

Rheine. Rund um die Bundestagskandidatin der Grünen Alexandra Schoo traf sich eine Delegation grüner Fachleute der Kinder- und Jugendhilfe aus Rheine und dem Kreis Steinfurt mit den Experten für Kinderschutz und den Therapeuten der „Therapeutischen Übergangshilfe“ des Caritas-Kinder- und Jugendheims am Unland in Rheine zu einem Fachgespräch. 

Winfried Hülsbusch, jahrelang Pädagoge im Caritas- Kinder- und Jugendheim und seit sieben Jahren Leiter und Geschäftsführer der Jugendhilfeeinrichtung, begrüßte die Teilnehmer. Er verwies darauf, dass der Heimerziehung bis heute in der Öffentlichkeit ein negatives Image anlaste. Nur durch Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz könne man dem entgegenwirken. Von daher freue er sich darüber, wenn sich Politiker aller demokratischen Parteien für die wertvolle und kindzentrierte Arbeit des Caritas-Kinder- und Jugendheims interessieren und damit Öffentlichkeit schaffen, so dass ein negatives Image von Heimerziehung sich auflösen könne.

In einem kurzen Fachreferat beschrieb der leitende Psychologe Martin Janning das Konzept der Therapeutischen Übergangshilfe des Caritas- Kinder- und Jugendheims. Ursprünglich basiere es auf den Erkenntnissen der Münsteraner Psychologen Dr. Nienstedt und Dr. Westermann. In der „‚Therapeutischen Übergangshilfe“ werden Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren aufgenommen, die zumeist massive körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt in ihrer Herkunftsfamilie erleiden mussten. Oberstes Ziel der Pädagogik sei, die Kinder mit ihrer leidvollen Geschichte zu verstehen, sie ausdrücklich zu schützen und zu stützen. Es gehe bei diesen Kindern nicht vordergründig um „Erziehung“, sondern um eine bedingungslose Annahme. „Das Kind darf so sein, wie es ist. Wir wollen es verstehen, wir wollen es nicht gleich erziehen und seine manchmal nicht sofort verstehbaren Verhaltensweisen als Ausdruck seiner Not anerkennen.“ Wichtig sei es, möglichst viel über die Geschichte des Kindes zu wissen, damit man es verstehen könne. Den inneren Schmerz des Kindes, der gewaltig sein könne, gelte es anzunehmen und zu verstehen. Dabei bemühe man sich, „in der Sprache der Kinder zu sprechen“. Das Kind stehe ausdrücklich im Fokus. Neben einer heilpädagogischen und therapeutischen Unterstützung in ihren Gruppen erhalten die aufgenommen Kinder weitere Unterstützung durch eine Einzeltherapie. Heilpädagogin und Trauma-Therapeutin Beate Grotendorst-Hölscher stellte dar, wie ein solcher therapeutischer Prozess gelingen kann. Durch die vom Caritas-Kinder- und Jugendheim gestellte heilpädagogische und therapeutische Unterstützung können die verletzten und geschädigten Kinder „korrigierende Erfahrungen“ machen, sodass sie sich auf neue Beziehungen und Bindungen einlassen können. Wenn dies der Fall ist, sei es Zeit die Kinder in eine andere Perspektive zu vermitteln, zumeist in eine Pflegefamilie. Eine Rückführung in die Herkunftsfamilie gebe es sehr selten.

Rainer Pelster, ebenfalls Therapeut und Berater, erklärt, dass das Caritas-Kinder- und Jugendheim 25 Plätze für die Therapeutische Übergangshilfe anbietet. Die Anfragen seien deutlich zahlreicher. Die Kinder werden in Kleingruppen von fünf bis sieben Kindern therapeutisch unterstützt, geschützt und versorgt. Den 25 Kindern stünden 18,5 Fachkräfte zur Verfügung. Die Verweildauer sei im Durchschnitt ein bis eineinhalb Jahre. Oftmals gebe es im Hintergrund familiengerichtliche Verfahren, die eine neue Perspektive der Kinder auch verzögern könnten.

Der Psychologische Sachverständige für Familienrecht und grünes Mitglied des Jugendhilfeausschuss Udo Hewing in Rheine bestätigt die Annahme Rainer Pelsters. Oftmals dauerten aus Kindersicht familiengerichtliche Verfahren viel zu lange.
Die Bundestagskandidatin der Grünen im hiesigen Wahlkreis, Alexandra Schoo, ist selbst seit Jahren mit intensivpädagogischen Maßnahmen für massiv geschädigte und verletzte Kinder als Traumapädagogin und Erzieherin der Jugendhilfe beruflich engagiert. Aus ihrer Erfahrung und beruflichen Kompetenz bestätigt sie ausdrücklich das dargestellte psychologische Konzept der Fachleute des Caritas- Kinder- und Jugendheims. Von daher sei ein Schwerpunkt für ihre politische Kandidatur der Kinderschutz und die Unterstützung massiv verletzter und geschädigter Kinder. Kinder- und Jugendhilfe sei nur dann erfolgsversprechend, wenn sie aus dem Blickwinkel der Kinder und nicht aus dem der Erwachsenen gestaltet und organisiert werde. Aufgrund ihrer beruflichen und persönlichen Erfahrung gelte es zwingend den Kinderschutz weiter zu qualifizieren, sowohl in den Kindergärten, den Schulen, den Jugendämtern, den Familiengerichten, als auch in der Öffentlichkeit. Dafür brenne sie und engagiere sie sich mit ihrer Kandidatur.

Die Pädagogin und grüne Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses des Kreises Steinfurt Sandra Dömer macht darauf aufmerksam, dass die Fachleute, die sich um diese Kinder kümmern, dringend Supervision, kollegiale Beratung und Fortbildungen benötigen. Dieses dürfe nicht an Finanzen scheitern.

Udo Hewing betont, dass für geschädigte Kinder geeignete Hilfen eingesetzt werden müssten. Gerade die frühkindlichen Hilfen seien existentiell wichtig. „Bei einigen lang geschädigten Jugendlichen kann auch die Jugendhilfe kaum noch grundlegend Positives ausrichten.“

Zum Ende des „Fachgespräches“ richteten die Teilnehmer des „Fachgespräches“ folgende Forderungen an die Politik:

– Elternrecht ist wichtig. Bei Kindesschädigungen aber steht das Kindeswohl über dem Elternrecht. Eltern haben Rechte und Pflichten. Die Rechte der Kinder und das Kindeswohl müssen im Grundgesetz verankert werden. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Veränderung des Artikel 8 GG würde jedoch die Kinderrechte nicht regeln und womöglich die Berücksichtigung des Kindeswohls sogar schwächen.
– Traumatisierte Kinder dürfen nicht verpflichtet werden, zu ihren Eltern Kontakt zu halten.
–Datenschutz ist sehr wichtig. Bei der Aufdeckung und therapeutischen Aufarbeitung von Kindesmisshandlungen stellt er aber oft ein unverhältnismäßiges, gravierendes Hindernis dar.
– Die Jugendämter müssen mehr in die Arbeit mit Eltern untergebrachter Kinder investieren, weil der weitere Weg der Kinder ohne die Akzeptanz der Eltern zusätzlich erschwert wird.
– Pflegefamilien und Fachleute, die massiv geschädigte Kinder aufnehmen, muss intensive fachliche und auch finanzielle Unterstützung angeboten werden.
– Jugendhilfe, sei es in der Kommune, dem Kreis, dem Land oder dem Bund, muss stets durch die Brille der Kinder und Jugendlichen bedacht und organisiert werden. Stets gilt es vom Blickwinkel des Kindes aus zu denken und zu entwickeln.
- In der Ausbildung von Fachkräften der Jugendämter, der Jugendhilfe sowie der Familienrichter sollte die Thematik des Kinderschutzes berücksichtigt werden.


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