Herausforderung und Chance zum Aufbruch

Mehr als 30 Haupt- und Ehrenamtliche aus den Pfarreien des katholischen Kreisdekanates Steinfurt nahmen an der digitalen Veranstaltung teil. Foto: pbm/Gudrun Niewöhner

Steinfurt

Kreis Steinfurt (pbm/gun). Wie geht es nach Corona weiter? Für Kreisdechant Dr. Jochen Reidegeld steht vor dem Ende der anhaltenden Pandemie fest: Ein Re-Start kann nicht die Wiederbelebung alles Bisherigen bedeuten.

„Die Erfahrungen in und mit der Pandemie haben die Gesellschaft und auch die Kirche verändert“, stellte der Kreisdechant am 30. Januar bei einer digitalen Veranstaltung des katholischen Kreisdekanates Steinfurt für Ehren- und Hauptamtliche fest. Unter dem Titel „Corona als Herausforderung und Chance zum Aufbruch“ beleuchteten die Teilnehmenden das Thema aus soziologischer und politischer, aus psychologischer und aus pastoraler Perspektive.

Dr. Stefan Nacke, Soziologe und CDU-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, schaute durchaus selbstkritisch auf das vergangene Frühjahr zurück: „Wir mussten schnell handeln, unser Gesundheitssystem drohte zu kollabieren.“ Aus heutiger Sicht sei dabei ein wenig zu abrupt alles geschlossen worden, erklärte der Politiker mit Blick auf das Besuchsverbot in den Alteneinrichtungen und Krankenhäusern. Er unterstrich so die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, „am Ende der Pandemie werden wir uns vieles verzeihen müssen“. Nacke betonte, dass wissenschaftliche Fakten selbstverständlich in alle politischen Entscheidungen einflössen, „jedoch müssen wir, was die Folgen angeht, immer auch abwägen“.

Sorgen macht sich der Landtagsabgeordnete um die perspektivische Rolle der Politik: „In dieser Pandemie hat die Politik massiv in gesellschaftliche Prozesse eingegriffen, das gesellschaftliche Leben angehalten.“ Daraus ergebe sich eine Erwartungshaltung seitens der Bevölkerung, befürchtet Nacke: „Was wird künftig bei anderen Themen gefordert?“ Diese Frage treibe ihn um. Denn eines müsse klar sein: „Die Politik ist kein Allheilmittel.“

„Die Erfahrungen der vergangenen Monate werden und sollen Konsequenzen haben – für Gottesdienstformate aber auch für Begegnungen.“

Dr. Marius Stelzer, Pastoraltheologe

Auch wenn die Verteilung des Impfstoffes aktuell für große Diskussionen und eine Menge Unmut sorge, mahnte der Politiker, nicht in Frustration zu verharren: „Wir sollten uns auch vor Augen führen, was wir bislang schon geschafft haben!“

Positives in der Pandemie-Situation zu entdecken, dazu riet in seinem Impulsreferat Tobias Bendfeld, Diplom-Psychologe und Leiter der Diakonie-Beratungsstelle in Steinfurt. Dies sei zwar angesichts der Verluste und Krankheitsfälle, Ängste, Unsicherheiten und Überforderungen für viele schwierig. Man müsse aber lernen, Unterstützung zu suchen und anzunehmen – beispielsweise durch die Familie, Freunde, das soziale Umfeld und die Gesellschaft allgemein.
Eine feste Struktur und Routine würden helfen, den Alltag zu meistern. Bendfeld warnte davor, sich mit immer neuen und mehr Informationen „zuballern zu lassen“. Welche Auswirkungen und Langzeitfolgen vor allem der wochenlange Lockdown habe, sei schwer vorhersehbar.

Die Corona-Pandemie werde auch das Leben in den Pfarreien verändern, davon ist Dr. Marius Stelzer, Pastoraltheologe im Bistum Münster, überzeugt: „Das Virus bringt unser bisheriges Konstrukt ins Rotieren.“ Dauer und Nähe seien vor Corona Kennzeichen des gemeindlichen Miteinanders gewesen. Durch die sogenannten Aha-Regeln habe sich die Sozialgestalt der Kirche geändert – hin zu Distanz und Wechsel. „Wir sind raus aus unserer Komfortzone und müssen uns neu auf den Weg machen.“ Die Verführung werde groß sein, nach Ende der Pandemie an Altes anzuknüpfen. Dies gelte es zu verhindern: „Die Erfahrungen der vergangenen Monate werden und sollen Konsequenzen haben.“ Für Gottesdienstformate, aber auch für Begegnungen. 

Deutlich geworden sei zudem, dass sich die Kirche im caritativen Bereich noch stärker engagieren müsse – unter anderem in der Krankenhausseelsorge.

 


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