FDP informierte sich vor Ort

Die Steinfurter Liberalen trafgen sich auf dem Hof Stoyke mit heimischen Landwirten: Henning Stoyke (LOV-Vorsitzender in Burgsteinfurt), Christoph Uhlenbrock (LOV-Vorsitzender in Borghorst), Werner Prümers und Hendrik Hesseler. Foto: privat

Steinfurt

Steinfurt. Vertreter der Steinfurter FDP besuchten den Hof Stoyke. Bei Stoykes werden nicht nur Milchkühe und Rinder gehalten, sondern auch Schweine. Die Größe der Hoffläche reicht aus, um genügend Futter für alle Tiere zu produzieren. 

Nichtsdestotrotz erfordert es einen großen finanziellen Aufwand, um all den Vorschriften nachzukommen, die seit Jahren das Leben der Landwirte deutlich erschweren, so die anwesenden Landwirte. Seien es Bauvorgaben für Ställe und Silagelagerung (Gewässerschutz / CSB-Wert), Futterzusammensetzung, Hygienevorgaben – alles im Kontext zum Preisverfall bei Fleisch- und Milchpreisen. Diese bewegen sich seit Jahrzehnten auf dem gleichen Niveau, unabhängig von der Verteuerung bei Futter, Energie oder Versicherungen.

„Wer da nicht wirtschaftlich arbeiten kann, ist draußen“, so Henning Stoyke, Vorsitzernder des Landwirtschaftlichen Ortsverbandes Burgsteinfurt. Leider hätten schon viele Bauern die „Mistgabel“ buchstäblich aus der Hand legen müssen, weil die Ackerfläche nicht groß genug war oder mehrere Jahre mit wetterbedingten schlechten Ernten das Aus bedeuteten.
Alternativen würden seit Jahren gesucht und auch zum Teil umgesetzt. Fotovoltaikanlagen auf dem Dach, Beteiligungen an Windparkanlagen (Verpachtung von Ackerflächen), an Biogasanlagen, Subventionen durch Anbringung von Blühstreifen und anderes. „Das hilft – reicht aber nicht aus“, so die Landwirte.

Die Milch- und Fleischpreise müssten endlich angepasst werden, die Erhöhungen an den Erzeuger weitergegeben werden. Die Absichten der Discounter, dem Tierwohl entsprechend nur noch Fleisch aus der Tierhaltungsform ab Stufe 2, besser ab 3 anbieten zu wollen, sei gut, der Mehrpreis sollte jedoch beim Erzeuger ankommen. „Investitionen werden immer wieder gefordert, man denke da an die Vorgabe bei der Schweinezucht mit verschlossenen Ställen und Klimaanlagen, die Hunderttausende kosteten und sich nach nicht langer Zeit als falsche Investition herausgestellt haben. Jetzt sollen die Tiere wieder Außenklima bekommen – also alle Ställe wider umbauen.“, erläutern die Orstvorsitzenden.

„Nur mit viel Liebe zur Arbeit und den Tieren, unterstützende Familienangehörige, Organisationstalent und großem zeitlichen Einsatz lässt sich ein Hof betreiben, wobei wir da die Frage der Wirtschaftlichkeit noch nicht beantwortet haben“, so die Landwirte.

Zukunftskommission Landwirtschaft

Westaflen-Lippe. Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ hat ihren Abschlussbericht an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel übergeben und darin Empfehlungen für den Umbau der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft formuliert.
Die Kommission mit Akteuren aus Land- und Ernährungswirtschaft, Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz, Wissenschaft und Politik hatte angesichts heftiger Auseinandersetzungen über die Ausrichtung der heimischen Agrarpolitik seit September 2020 vor allem darüber beraten, wie eine gesellschaftliche akzeptierte Nutztierhaltung und ein zukunftsfähiger Ackerbau aussehen könnten.

Hubertus Beringmeier hat eine erste Bewertung der Empfehlungen vorgenommen: „Zunächst begrüße ich die Tatsache, dass die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen konnte, denn dies war aufgrund der sehr unterschiedlichen Positionen unter den Akteuren lange Zeit nicht sicher. Ein so komplexes Unterfangen wie die Transformation der Landwirtschaft braucht neben Sachverstand vor allem auch Kompromissbereitschaft von allen Seiten. Ein Kompromiss, der nicht allen Seiten Schmerzen bereitet, ist meist kein guter Kompromiss.“

Wichtig sei auch die Aussage, dass bei allem Willen zur Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit anerkannt wurde, dass die landwirtschaftlichen Betriebe auch ökonomisch in der Lage sein müssen, höhere Standards umzusetzen.
Der WLV begrüßt zudem die klare Aussage der Zukunftskommission, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, den Transformationsprozess der Landwirtschaft zu unterstützen und auch zu finanzieren.
WLV-Präsident Beringmeier: „Es wird jetzt entscheidend darauf ankommen, dass die vielen Details zur Umsetzung der Empfehlungen der Zukunftskommission von der Politik auch sehr konkret in Rechtstexte umgesetzt werden. Wir haben nach der Bundestagswahl die große Chance, tatsächlich eine gesellschaftliche Verständigung über Form unserer künftigen Landwirtschaft zu erreichen. Nutzen wir sie!“

Viele Milchvieh- und Rindermastbetriebe haben bereits auf Offenställe mit Außenklima für Stufe 3 umgestellt. Das ist aber noch keine Stufe 4 mit Weidegang.

Handel will mehr Tierwohl erzwingen

Bonn / Kreis Steinfurt. Nachdem jüngst Aldi Nord und Aldi Süd angekündigt hatten, bis 2030 ihr Frischfleisch-Sortiment auf die höheren Tierwohl-Haltungsformen Stufe 3 und 4 umzustellen, sind andere Unternehmen nachgezogen.

Die Rewe Group (Rewe, Penny) strebt bis 2030 im gesamten Eigenmarken-Frischfleischsortiment die Stufen 3 und 4 an. Edeka (Edeka, Netto Marken-Discount) gab bekannt, kurzfristig auf Frischfleisch der Haltungsform Stufe 1 und längerfristig auch auf Frischfleisch der Stufe 2 zu verzichten. Gestern kündigte die Schwarz-Gruppe an, bei Kaufland ab sofort kein frisches Schweinefleisch der Stufe 1 mehr zu verkaufen; Lidl wird bis Ende des Jahres folgen. Zu dieser Entwicklung kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes: „Mit dem Markteintritt unseres Tierschutzlabels ‚Für Mehr Tierschutz‘, das heute in die Stufen 3 oder 4 der Haltungsform eingruppiert wird, haben wir eine Entwicklung hin zu mehr Tierschutz in der Landwirtschaft angestoßen. Im Frühjahr dieses Jahres konnten wir in Gesprächen mit den führenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels ein Bekenntnis zu einer tiergerechteren Geflügelfleischerzeugung erreichen. Diese Entwicklungen und der anschließende Vorstoß von Aldi haben die erwartete Sogwirkung hervorgerufen. Wir erleben gerade, was möglich ist, wenn der Handel seinen Einfluss im Sinne der Tiere nutzt. Während die politisch Verantwortlichen untätig bleiben und sich scheuen, die gesetzlichen Vorgaben für die Tierhaltung anzuheben, listen die Handels­unternehmen Produkte aus, die mit dem Tierschutz und den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht länger vereinbar sind.“

Aber: Derzeit decken die landwirtschaftlichen Betriebe, die in die Stufen 3 und 4 eingruppiert werden können, einen sehr kleinen Teil ab. Betrachten wir in eher kleinteiliger Landwirtschaft wie hier im Münsterland die Betriebe, wäre eine Umstellung vor allem bei kleineren Betrieben finanziell nicht zumutbar. Während der vergangenen Jahrzehntemit immer mehr Fleischkonsum haben viele Betriebe gerade darin investiert, die immer größere Nachfrage bei sinkenden Kilopreisen mit immer schnellerer Mast zu bedienen, um wirtschaftlich überleben zu können. Innenteil

Viehhaltung wie aus dem Bilderbuch: Diese Vision lässt sich aber nur umsetzten, wenn Verbraucher, Handel und Politik weltweit an einem Strang ziehen. Foto: privat

Haltungsformen: 

Die Haltungsfromen sind von der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in vier Stufen eingeteilt: Die Stufen 1 und 2 sehen ausschließlich Stallhaltung vor, wobei Stufe 2 schon mit dem Siegel der Initiative Tierwohl ausgezeichnet ist. Das heißt zum Beispiel bei Hühnern, dass sie etwas mehr Platz im Stall pro Lebendgewicht bekommen und etwas Beschäftigungsmaterial zum Picken oder Scharren. Die Stufen 3 und 4 sehen noch mehr Platz, Futtermittel ohne Gentechnik, teilweise Außenklima oder Zugang zu einem Außengelände, mehr Beschäftigungsmaterial und zum Beispiel bei Rindern eine schonendere Enthornung vor. Tiere in Stufe 4 erhalten Weidegang und werden überwiegend mit Futtermitteln aus eigener Erzeugung oder aus der Region versorgt.

"Aldi muss sich noch sehr anstrengen"

WLV: Stufen 3 und 4 sind noch eine kleine Marktnische

Westfalen. Die Ankündigung von Aldi trifft in der heimischen Landwirtschaft auf deutliche Skepsis. Die Gründe hierfür liegen, schreibt der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) in einer Pressemeldung, in zahlreichen ungelösten Fragen, wie der Umbau der deutschen Nutztierhaltung rechtlich und finanziell – zudem innerhalb von nur neun Jahren – bewältigt werden soll. „Die deutschen Bauern und Aldi eint das Ziel, dem Tierwohl in unseren Ställen eine größere Bedeutung zu geben“, sagte Bauernpräsident Hubertus Beringmeier.

„Die Vorschläge des Discounters greifen im Kern die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, der sogenannten „Borchert-Kommission“, auf. Ich selbst stehe zu 100 Prozent hinter diesen Empfehlungen und erwarte von der Politik, dass sie den Weg zu mehr Tierwohl in unseren Ställen möglich macht.“

Nach Ansicht des WLV kann die gesellschaftlich erwünschte Transformation der Tierhaltung in Deutschland nur dann gelingen, wenn neben den bau- und umweltrechtlichen Anpassungen die erforderlichen massiven Investitionen gegenfinanziert und langfristige, verlässliche Liefervereinbarungen getroffen werden.

„Aldi weiß sehr gut, dass noch zahlreiche wichtige Detailfragen zu klären sind, wenn die Weiterentwicklung gelingen soll. Wenn die Haltungsformen 3 und 4, die derzeit nur eine kleine Marktnische ausmachen, bis 2030 alle Regale füllen sollen, muss sich auch Aldi noch sehr anstrengen und vor allem deutlich höhere Erzeugerpreise zahlen, um mehr Tierwohl angemessen zu honorieren.“


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