Müssen Kommunen für Fundtiere zahlen?

Wird ein Tier gefunden und hat offensichtlich kein Zuhause, muss die Gemeinde für die Unterbringung aufkommen. Foto: Tholl

Überregional

Münster. Experten schätzen, dass täglich rund 350 Katzen und 200 Hunde in deutschen Tierheimen abgegeben werden, jährlich zusammen rund 200.000 Tiere. Für die Einrichtungen bedeutet jeder Neuzugang bei Tagessätzen von 7 (Katze) beziehungsweise 14 Euro (Hund) pro Tag eine oft massive finanzielle Belas­tung und das obwohl Fundtiere dem deutschen Gesetz nach als „Fundsachen“ gelten, für die die jeweiligen Kommunen aufkommen müssen.

Ein Beispiel: Das Tierheim Rosenheim kalkuliert mit jährlichen Ausgaben von 470.000 Euro, darunter mehr als 300.000 Euro für Fundtiere, von denen die Gemeinde Rosenheim aber nur 40.000 Euro erstattet.

Dr. Hannah Reidun Niermann hat sich in ihrer an der Universität Münster entstandenen Dissertation „Die Pflicht zur Verwahrung von Fundtieren und herrenlosen Tieren“ erstmals systematisch diesem für alle deutschen Kommunen drängenden Thema gewidmet. Ihr Fazit: Auch nach dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach zumindest jeder Hund, der ohne Besitzer gefunden wird, ein Fundtier ist und entsprechend von der Gemeinde aufgenommen werden muss, ist das grundsätzliche Problem noch nicht gelöst.

Denn das Gericht hat weiterhin entschieden, dass das Tier bei der Gemeinde und nicht im Tierheim abgegeben werden muss – sofern es keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den beiden gibt.
Aber was passiert, wenn die Kommune nicht bereit ist, praktikable Ablieferungsmöglichkeiten zu schaffen, es etwa am Abend oder Wochenende keine Anlaufstelle gibt? „Der Bundesgesetzgeber müsste die Unsicherheiten durch ergänzende Regelungen beseitigen, die speziell den Fund von Tieren regeln“, betont die Rechtswissenschaftlerin. „Anzuraten wäre eine umfassende gesetzliche Regelung im Tierschutzgesetz, die die Verwahrung aller verlorenen, ausgesetzten und zurückgelassenen Haustiere regelt, ähnlich wie es Österreich bereits praktiziert.“

Die Gemeinden gehen nach Beobachtung von Reidun Niermann häufig davon aus, dass sie bei Tieren – wie bei Sachen – nur zu einer Verwahrung von sechs Monaten verpflichtet sind und zahlen deshalb den Tierheimen auch nur (für höchstens) diesen Zeitraum die Verwahrungskosten. Dabei werde aber missachtet, dass die einmal begründete Verantwortung für das Tier andauert und nach den Regelungen des Tierschutzgesetzes nicht einfach beendet werden kann. Die Kommunen müssten also weiter für die Tiere zahlen, falls sie keine andere Regelung mit dem Tierschutzverein getroffen haben.

Dr. Hannah Reidun Niermann. Foto: privat


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