Laer (pbm/gun). Vier Tage nach seinem Geburtstag klingelte bei Matthias Fraune das Telefon. Am anderen Ende der Leiter des münsterischen Priesterseminares mit einer klaren Aussage: „Kümmern Sie sich um einen Aufhebungsvertrag mit Ihrem jetzigen Arbeitgeber!“
Für den 54-jährigen Laerer nahm sein Leben damit eine Wende – wieder einmal. Dieses Mal allerdings gewollt. Aus tiefster Überzeugung. Zusammen mit zwei weiteren Männern aus dem Bistum Münster wird Matthias Fraune am Sonntag (18. April) von Bischof Dr. Felix Genn im münsterischen St. Paulus-Dom unter Corona-Bedingungen zum Diakon geweiht. Pfingsten 2022 soll die Priesterweihe folgen. Mit seinen 54 Jahren ist der Laerer der Älteste in dem Trio der Priesteramtskandidaten. Dafür bringt er einiges an Lebenserfahrung mit. Seitdem er 13 Jahre alt ist, sitzt Matthias Fraune im Rollstuhl: „Als Folge einer übermäßigen Gewebebildung nach einer Operation“, nennt er den Grund für seine Lähmung. Zwei Jahre konnte er damals nicht zur Schule gehen. Daheim hat er weitergelernt, um, als es gesundheitlich bei ihm wieder ging, weiter das Gymnasium in Borghorst zu besuchen.
Allerdings nur kurz. Das Schulgebäude aus den 1960er Jahren war nicht behindertengerecht. Seine Mitschüler haben Matthias Fraune jeden Tag in die oben gelegenen Klassenräume getragen. Bis die Krankenkasse sich meldete: „Wenn dabei etwas passieren würde, wären wir nicht versichert“, erinnert er sich noch genau an den Satz, der ihn auf die Laerer Hauptschule brachte, die er schließlich mit dem Realschulabschluss in der Tasche verließ.
Dann folgte die nächste Ernüchterung: „Ich fand keinen Ausbildungsplatz – und war ein Jahr arbeitslos.“ Eine Lehre zum Bürogehilfen bei der Gemeindeverwaltung in Laer konnte er anschließend nicht beenden: „Wegen meiner Krampfanfälle war es mir unmöglich, die Abschlussprüfung in Stenografie zu bestehen.“ Zweiter Anlauf: Die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellter schloss Matthias Fraune erfolgreich ab – und blieb danach bis zum November 2016 im Laerer Rathaus. Insgesamt 32 Jahre.
Während dieser Zeit hat ihn der Gedanke, Priester zu werden, nie wirklich losgelassen: „Freunde haben mich darin immer wieder bestärkt, indem sie gesagt haben: Da brennt doch etwas in dir... du musst damit noch mal los!“ – Bei einer Romfahrt 2012 erzählte er dem heutigen Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp von seinem Wunsch. Dieser machte ihm Mut. In Matthias Fraune brodelte es weiter.
Erst 2016 fasste er sich erneut ein Herz und nahm Kontakt mit Winterkamp auf, der wiederum vermittelte ihm den Kontakt zum Leiter des Priesterseminares. Dann ging alles ziemlich schnell. Es folgten weitere Gespräche – bis schließlich der Anruf kam.
Matthias Fraune gab seine Ehrenämter im Laerer Heimatverein, beim DRK und in seiner Heimatpfarrei Heilige Brüder Ewaldi auf, packte seine Sachen zusammen – und zog zum ersten Advent an den Domplatz in Münster.
Wenig später startete er mit dem Theologiestudium im Würzburger Fernkurs. Da sich der Laerer in den zurückliegenden 30 Jahren schon selbst in theologischem Wissen fortgebildet hatte, wurde ihm dies angerechnet. Parallel nahm er an einer Ausbildung zum Krankenhausseelsorger teil.
Diese, so hofft Fraune, werde ihm in seinem Diakonat nützlich sein. Dafür wird er bis Januar 2022 in die Propsteigemeinde St. Remigius nach Borken ziehen. Anschließend geht es für die Vorbereitung auf die Priesterweihe zurück nach Münster. Dass er als künftiger Priester im Rollstuhl sitzt, sieht Matthias Fraune als sichtbares Zeichen für den Dienst an den Kranken und Armen. Ihm ist wichtig zu vermitteln, dass „es keine Menschen zweiter Klasse gibt“.
Weder mit Handicap, noch sonst, sagt der Laerer und kritisiert in diesem Zusammenhang die vom Vatikan untersagte Segnung gleichgeschlechtlicher Paare: „Gottes Segen gilt jedem Menschen.“ Diese Botschaft möchte er weitergeben.