Bistümer und Kirchenkreise werten Statistiken aus

Bischof Felix Genn fordert eine neue Normalität. Foto: pbm

Überregional

Münster (pbm/sk). Die Zahl der Kirchenaustritte ist im Bistum Münster im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr gesunken: 12.698 Katholiken erklärten ihren Austritt; das waren 3.956 weniger als im Vorjahr. Es ist aber dennoch die zweithöchste Zahl an Austritten, die bisher in einem Jahr festgestellt wurde.

255 Personen, die sie früher einmal verlassen hatten, traten im Bistum Münster im vergangenen Jahr wieder in die katholische Kirche ein, hinzu kamen 139 Eintritte aus anderen christlichen Konfessionen.

Wie die Bischöfliche Pressestelle in Münster weiter mitteilte, wurden 2020 im Bistum 9.804 Menschen durch die Taufe in die Kirche aufgenommen, 4.256 weniger als 2019. Die aktuelle Katholikenzahl im Bistum lag Ende 2020 bei 1,79 Millionen, das sind rund 27.000 weniger als ein Jahr zuvor.

Einen deutlichen Rückgang gab es im vergangenen Jahr im Bistum Münster auch bei den Menschen, die sonntags an der Messe teilnehmen. Massive Rückgänge gab es 2020 auch bei Firmungen, Erstkommunionen und kirchlichen Trauungen. Leicht gestiegen ist die Zahl der Bestattungen.

Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Münster

Der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, erklärt zu den Zahlen: „Einen gewissen Rückgang hatten wir in den vergangenen Jahren immer zu verzeichnen. Umgekehrt dürfen wir uns die Tatsache, dass 2020 weniger Menschen aus der Kirche ausgetreten sind, nicht schönreden. Dieses Jahr holt uns die Wirklichkeit mit, soweit wir das im Moment wissen, deutlich höheren Austrittszahlen wieder ein.

Wie geht es nach der Pandemie oder dann, wenn wir diese wirklich weltweit im Griff haben, weiter? Sehr laut geäußert wird dabei der Wunsch nach einer Rückkehr zur Normalität. Gemeint ist damit der Zustand vor Beginn der Pandemie. Aber wollen wir das wirklich? Nein! Nichts wäre falscher, als so weiterzumachen wie vor der Pandemie. Denn es ist doch nicht normal, dass wir unseren Planeten für die kommenden Generationen unbewohnbar machen! Es ist nicht normal, dass wir in den reichen Ländern auf Kosten der Armen leben! Es ist nicht normal, dass Menschen, die sich nach einem guten Leben sehnen, auf Mauern und Stacheldraht stoßen, eingepfercht werden oder ihr Leben verlieren! Und es ist nicht normal, dass wir uns in der Kirche viel mehr um uns selbst drehen als für die Menschen da sind.

Gesellschaft und Kirche brauchen nach der Pandemie ein neues ‚Normal‘. Die Krise, die wir als Gesellschaft und Kirche durch Corona erleben, muss ein Weckruf sein, überkommene Denkmuster und Verhaltensweisen aufzugeben und mutig Neues zu wagen. Als Gesellschaft müssen wir erkennen, dass in vielen Feldern ,Weniger‘ ,Mehr‘ ist: Wir brauchen weniger Konsum, weniger Egoismus, weniger Gewinnorientierung. Notwendig sind mehr Verzicht, mehr Solidarität, mehr Bewusstsein für die Verwundbarkeiten unserer Welt und mehr Sorge füreinander – im Kleinen wie im Großen.

Und als Kirche muss unser neues ,Normal‘ so aussehen, dass wir eine einladende, optimis­tische, fröhliche Kirche im Dienst an den Menschen sind. Als Kirche werden wir uns für dieses ,Normal‘ in der Gesellschaft einsetzen, nicht nur an der Seite der Armen, Entrechteten und Einsamen, sondern mitten unter ihnen. Das ist die Botschaft Jesu Chris­ti, der als Erlöser aller Menschen in die Welt gekommen ist und das Zentrum unseres Glaubens und allen kirchlichen Lebens darstellt.“

Trotz negativer Entwicklungen sieht Reidegeld eine Zukunft für die Kirche:

„Sie liegt für mich darin, dass wir darüber hinausgehen, Kirche nur ,zu veranstalten‘, sondern und vielmehr als Christinnen und Christen in der Gesellschaft leben. Wir werden nur dann eine Relevanz haben, wenn Menschen eine Spiritualität erleben, die sie wirklich trägt. Zugleich wird es wichtig sein, dass Menschen erleben, dass die christliche Botschaft das Gemeinwesen bereichern und zu einem gerechteren Ort machen kann.“

Dies, davon ist der Kreisdechant überzeugt, gelinge sicher nicht durch Verlautbarungen wie die zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die Menschen verurteile und deren Würde verletze: „Als Christinnen und Christen dürfen wir durchaus unbequeme Fragen stellen. Der Papst tut dies auch, wenn er unser auf reines Gewinnstreben und Wachstum orientiertes Wirtschaftssystem in Frage stellt. Aber wir sollten aufhören, den Eindruck zu erwecken, dass wir dabei für uns in Anspruch nehmen, die Wahrheit gepachtet zu haben und andere Lebensweisen verurteilen zu können.“

Für die Pfarreien vor Ort wird es nach Reidegelds Ansicht wichtig sein, aus der Kirchenblase herauszutreten: „Wir sollten Begegnungsräume schaffen und aufsuchen, wo wir Menschen mit anderen Meinungen zuhören, um dann gemeinsam nach neuen, guten Wegen suchen.“

Katholiken insgesamt: 230.327 (Vorjahr – 233.779)
Austritte: 1.702 (Vorjahr – 2.257)
Kirchgänger: 10.276 (Vorjahr – 17.147)
Taufen 1.291 ((Vorjahr – 1.760)
Trauungen: 102 (Vorjahr – 422)

Zahlen des Evangelischen Kirchenkreises 2020

Der Evangelische Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken erstreckt sich von Bocholt im Westen bis Emsdetten im Osten, Gronau im Norden und Dülmen im Süden.

80.977 Menschen waren 2020 Mitglied in einer der 20 Kirchengemeinden. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von 1,2 Prozent. Der größte Faktor waren dabei die Todesfälle (1.089). Die Zahl der Kirchenaustritte ist im Gegensatz zum Trend der vergangenen Jahre nicht gestiegen: 2020 verließen 698 Menschen aus dem Kirchenkreis die Evangelische Kirche, 2019 waren es 841. Dass 2020 weniger Menschen aus der Kirche austraten als in den Jahren zuvor, hängt auch mit der Corona-Pandemie zusammen: die zuständigen Amtsgerichte waren zeitweise geschlossen.

Trotzdem verzeichnet der Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken mit -1,2 Prozent im westfalenweiten Vergleich den niedrigsten Mitgliederrückgang. Die Mitgliederzahl der Evangelischen Kirche von Westfalen ist 2020 gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent auf 2.104.806 zurückgegangen.

Um die Gründe für die zuletzt erhöhten Austrittszahlen zu erfahren, hatten die westfälische und die württembergische Landeskirche eine Studie in Auftrag gegeben, die sich auf Interviews mit Ausgetretenen stützt. Die meisten Befragten nannten keinen konkreten Anlass für ihren Austritt. Gründe waren vor allem die innere Distanz zum Glauben sowie die Kirchensteuer.


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