Die Kunst aus der Dose - Legale freie Flächen für Sprayer

Diese Wand zeigt die „Handschrift“ von Mitchell. Sein erster Versuch seit Jahren. Foto: Liesenkötter

Kultur

(DiLi). Ist das Kunst oder kann das weg? Sie sind bunt, schrill und fallen auf. Leider nicht immer positiv. Die Rede ist von so genannten Graffiti. Sie stehen als Sammelbegriff für thematisch und gestalterisch unterschiedliche sichtbare Elemente, zum Beispiel Bilder, Schriftzüge oder Zeichen, die mit verschiedenen Techniken auf Oberflächen oder durch deren Veränderung im privaten und öffentlichen Raum erstellt wurden.

 

 

Sie werden meistens unter einem Pseudonym und illegal gefertigt. Die Akzeptanz von Sprayern und Graffiti ist unterschiedlich geprägt. Werden nicht genehmigte Graffiti in der öffentlichen Wahrnehmung, insbesondere in der westlichen Welt, oft als Form des Vandalismus betrachtet, werden sie von anderer Seite auch als Form der Kunst anerkannt. Beides schließt sich jedoch nicht aus.

Öffentliche Einrichtungen treffen vielschichtige Maßnahmen, um das illegale Anbringen von Graffiti zu verhindern. Viele Städte oder Gemeinden geben inzwischen spezielle Flächen für die Sprayer-Kunst frei. So auch am Skater-Bereich des Ibbenbürener Aasees. Hier haben wir „Mitch“ getroffen, der selbst ein komplettes Kunstwerk ist. Aber er trägt es auf seiner Haut.

Mitchell erklärt im Gespräch mit „Wir in...“: „Mit dem Stift in der Hand aufgewachsen, überlegte ich wohl schon immer, was aus mir in der Zukunft wohl werden kann. Meistens zeichnete ich im Unterricht lieber den Baum auf dem Pausenhof, als Mathematik zu pauken. Wenn ich mit dem Bus zur Schule fuhr, träumte ich vor mich hin und schaute mir die Bilder an den Wänden an – so genannte Graffiti. Für mich sind Graffiti allerdings nur ein anderes Medium, ein Bild zu malen.

Genau wie man mit Kohle, Acrylfarben, einem Bleistift oder Ähnlichem ein Bild malen kann. Der große Unterschied an sich ist, dass es sich meistens um Buchstaben handelt, die im Endeffekt ein Gesamtbild ergeben. Buchstaben haben Formen und für jeden Künstler sind einige Buchstaben schöner als andere. Man kann allerdings alles an Motiven sprühen, was und wie man möchte.

In der ‚Graffiti-Szene’ war ich nie, sondern genoss eher als Betrachter. Man findet in fast jeder größeren Stadt eine so genannte ‚Wall of Fame‘. So nennt man die Wände, an den man sich legal mit einer Sprühdose austoben darf. Ich hatte mich hier vielleicht zwei, drei mal rangetastet, traute mich aber nie, vor anderen zu malen, weil meine Fähigkeiten nicht sehr beeindruckend waren. Ich absolvierte erfolgreich das College in Kanada im Fachbereich Kunst und Kultur, studierte danach Englisch und Kunst und kam dann doch durch meinen eisernen Willen an den Beruf des Tätowierers, den ich nun seit mehreren Jahren professionell ausführe.

Verschiedene Graffiti-Sprayer haben sich bereits am Aasee in Ibbenbüren verewigt.

In meinem Laden Easy Ink in Ibbenbüren beauftragte ich ‚BunteWaende‘ (professioneller Graffiti-Künstler), mir ein fortgeschrittenes Motiv an die Wand zu sprühen. Dieser Künstler malt nur legale Graffiti und lebt sogar davon. Ich kam ab und zu vorbei und schaute mir die Fortschritte an. Je mehr man ins Gespräch kam, desto größer wurde mein Interesse, mich relativ spät als alteingesessener Tätowierer, doch noch einmal ranzutrauen. Spaß zu haben, steht bei dem Thema an vorderster Front. Also zog ich los, besorgte mir Farben und fuhr mit dem Fahrrad zum Ibbenbürener Aasee, wo man legal an den aufgestellten Leinwänden sprühen darf.

Zuerst ärgerte ich mich des Öfteren, da es doch schwieriger schien als es aussah, doch mit etwas Geduld übte ich an diesem Bild weiter. Das hier ist also quasi mein erster Versuch – zumindest seit Jahren. Die ,Wall of Fame‘ ist eine tolle Möglichkeit, auf legale Art und Weise Graffiti zu sprühen, ob mit dem Gedanken, besser zu werden, zur Entspannung oder einfach aus Jux und Dollerei. Als ein paar Kinder verwundert vorbeikamen, ließ ich sie ein paar Striche an die Wand sprühen.

Was man beachten sollte und mir wichtig ist, dass man sich selber einstuft und kein Bild übermalt, bei dem man sieht, dass jemand mit Kenne dort mehrere Stunden und Euro investiert hat. Ich kann allerdings nur ermutigen, wenn das Interesse besteht, mal über den eigenen Schatten zu springen und es zu probieren – eine schöne Möglichkeit, dem grauen Alltag zu entkommen.

Meistens bleibt man, wie ich mit meinen Tattoos, eher bei den Dingen, die man gut kann. Ich aber habe dazugelernt, dass es einen durchaus im Leben voranbringt, wenn man andere um Hilfe fragt und sich eventell doch traut, mal etwas Neues im Leben anzufangen – egal, wie alt man ist...“


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