Fernunterricht oder zurück in die Klassen: Gibt es eine baldige Lösung?

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Technik

Alles begann mit einem 12-jährigen italienischen Mädchen, das einfach ihren Schreibtisch schnappte und ihn vor ihrer Turiner Schule postierte, um auf den Unterricht zu warten. Nachdem sich auch Ihre Freundinnen angeschlossen hatten, wurde eine Welle der Solidarität losgetreten und schloss bald taten Tausende von Kindern in ganz Italien genau dasselbe.

Anita Iacovellis persönliche Haltung gegen die auferlegten Schulschließungen aufgrund der Covid-Pandemie ist mittlerweile zu einer nationale Bewegung in Italien geworden und ähnliche Proteste finden nun bereits weltweit in vielen anderen Ländern statt, in denen die vom Unterricht ausgesperrten Schüler die Rückkehr zum herkömmlichen Unterricht fordern. Hier drängt sich sofort die Frage auf, ob die virtuellen Klassen wirklich so schlecht sind. Und wenn dies der Fall sein sollte, wo kann angesetzt werden, um den Distanzunterricht besser zu machen? Oder wird es der Fernunterricht nie schaffen, den Präsenzunterricht zu ersetzen?

Technische Schwierigkeiten

Die wahrscheinlich größte Herausforderung beim Distanzunterricht, der ja das virtuelle Lernen in Krisenzeiten ermöglichen soll, liegt in der technischen Ausstattung und dem Zugang zu leistungsfähigen Netzwerkverbindungen. Jedes ruckelnde Bild, das wir am Monitor sehen, eingefrorene Bildschirme und verzerrte Töne stören das Lernen am PC oder Tablet ungemein. Darüber hinaus sind noch nicht alle Schüler auf dem notwendigen technischen Stand und keineswegs technisch versiert genug, um alle technischen Probleme selbst meistern zu können:

Ein Fakt, den die plötzliche und notwendige Umstellung auf E-Learning aufgedeckt hat, war die geringe digitale Kompetenz einiger Schüler und Schülerinnen. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin schon das Handtuch wirft, weil er/sie Schwierigkeiten hat, Plattformen wie Zoom und Microsoft Teams zu verwenden, so können Sie sich die Frustration bei den Kindern vorstellen, wenn auch andere Technologien, Internet-Verbindungen oder Applikationen die Schüler in einigen Fällen komplett im Stich lassen.

Es ist aber durchaus positiv anzumerken, dass gerade in den letzten Jahren ein enormer Technologieschub festzustellen war. Die Internetverbindungen sind ist im Allgemeinen viel leistungsstärker als vor rund fünf Jahren, auch große Videoplattformen aktualisieren ihre Software in regelmäßigen Abständen, um so an noch größere Benutzerschichten zu gelangen. Der größte Hoffnungsschimmer am Horizont, der all diese technischen Herausforderungen des täglichen Online-Lernens beseitigen könnte, liegt in der Einführung der vorteilhaften 5G-Technologie.

Dann sollten Verbindungsprobleme bald der Vergangenheit angehören und Videoanrufe einfach und in gestochen scharfen Bildern durchgeführt werden können. Und spätesten zu diesem Zeitpunkt werden selbst die meisten Computer-Neulinge und technischen Analphabeten unter uns dies als äußerst bequem und angenehm empfinden.

Das Spiel als Mittel gegen Langeweile und Verdruss

Eine häufig geäußerte Beschwerde über die verschiedenen Online-Schulveranstaltungen lautet, dass der digitale Unterricht viel zu eintönig und langweilig ist. Selbstverständlich kann das Lehrpersonal Schwierigkeiten haben, jeden Schüler zu jeder Zeit zu beschäftigen. Dieser Umstand tritt besonders in Klassen mit höherer Schülerzahl auf. Diese Feststellung bedeutet daher aber auch, dass einige traditionelle und bereits vor langer Zeit eingeführte Unterrichtsmethoden einfach nicht im Distanzunterricht funktionieren. Virtuelles Lernen muss interaktiv gestaltet sein und muss auch allen beteiligten Spaß machen. Vor diesen neuen Herausforderungen und auch Schwierigkeiten steht also nun unser pädagogisches Personal.

Aber wie bei so vielen Dingen im gegenwärtigen Leben kann auch hier die Technologie eine Antwort liefern. Spielbasiertes Lernen wird von den Lehrern oft übersehen, stellt aber seit einigen Jahren eine effektive Methode dar, um die unterschiedlichsten Lernkonzepte attraktiv zu vermitteln. Während viele Menschen bei der Nennung von virtuellen Spielen eher nur an Online-Casinos oder Videospiele denken, nehmen die sogenannten „gamifizierte Unterrichtslösungen“ einfach das uralte Konzept des spielerischen Lernens auf, und bringen dieses ins 21. Jahrhundert.

Aber nicht nur der spielerische Aspekt im Unterricht sollte Anreiz für die Schüler sein um diesen gewissenhaft zu verfolgen, auch die Verfügbarkeit von Belobigungen, Auszeichnungen und Zertifikaten für Kinder mit besonderen Leistungen stellt eine zusätzliche Motivation für die Auszubildenden dar. Diese Anreize helfen dabei, dass die Schüler den digitalen Unterricht mit wachsender Begeisterung besuchen und diesem auch folgen.

Eine Online-Unterrichts-Materialdatenbank für die Schüler

Ein weiterer positiver Aspekt des digitalen Unterrichts besteht sicher in der Tatsache, dass den virtuelle Klassen zweifellos eine noch nie gekannte Menge an Unterrichtsmaterialen prinzipiell jederzeit zur Verfügung steht.
Und mit Hilfe der Bildschirmfreigabe, können die Inhalte des Vortragenden direkt mittels Internet auf den Bildschirm jedes Schülers übertragen werden. Noch gab es eine solche Fülle von Informationen, auf die die Schüler zugreifen, nützen, aber auch teilen können.
Und wir sind noch lange nicht am Ende der technischen und inhaltlichen Entwicklung angekommen, auch in diesen Bereichen werden Jahr für Jahr zusätzliche Verbesserungen und Erweiterungen zu erwarten sein. Schon heute verwenden einige Schulen sogenannte Schul-Cloud-Systeme, auf welche die Schüler die notwendigen Materialen in Sekundenschnelle abrufen oder auch ablegen können.

Mangel an persönlichen Kontakt

Viele der aufgezählten Probleme werden im Laufe der Zeit durch die unterschiedlichsten Technologien abgefangen werden, jedoch der größten Mangel im Distanzunterricht, den auch Anita Iacovelli und ihre Freundinnen angeprangert haben, wird nur sehr schwer zu beheben sein:

das Fehlen jeweiliger persönlichen Kontakte und zwischenmenschlichen Beziehungen. Die interaktive und lebendige Atmosphäre, in der die Schüler ihre Ideen austauschen und die vom Lehrer, der sich physisch im gleichen Raum wie die Schüler befindet, vorgebrachte Konzepte diskutieren, ist virtuell nicht umsetzbar.

Bei einer Videokonferenz fehlt das Vorhandensein des physisch-sozialen Austauschs. Studien haben belegt, dass das längerfristige Fehlen der Klassenkameraden sich negativ auf die körperlichen aber auch schulischen Leistungen der Kinder schlägt. Schüler brauchen den persönlichen Kontakt.

Obwohl 5G die Geschwindigkeit des interaktiven Gedankenaustausches auf jeden Fall verbessern und viele im Unterricht verwendete Materialen schneller zugänglich machen wird, wird es dennoch unmöglich sein, den Erfahrungsschatz, der sich auch aus den menschlichen Beziehungen zusammensetzt, digital reproduzieren zu können.

Eine Hybridlösung

Jene Pädagogen, die im Konflikt zwischen dem virtuellen Unterricht und dem Präsenzunterricht schlichtend eingreifen wollen, sehen die Lösung des Problems nur in einem möglichen Kompromiss. Die sogenannten „Hybridklassen“ vereinen die jeweils besten Eigenschaften und Funktionalitäten des Online-Lernens mit dem traditionellen Lernen. Nur so kann den Schülern das Beste aus beiden Welten geboten werden.

Das Beratungsunternehmen McKinsey hat kürzlich das Konzept einer hybriden Klasse vorgeschlagen, und einige Schulen versuchen sich bereits in diesem Ansatz. Es werden Unterrichtsformen vorgeschlagen, die auch in Zeiten nach der Pandemie in den herkömmlichen Präsenzunterricht einfließen werden können. Dazu gehören die Konzepte der Priorisierung des persönlichen Unterrichts für Schüler und das Prinzip der Partizipation.

So sollen für die Darstellungen und Veranschaulichungen komplexer Inhalte auch im Präsenzunterricht auf die digitale Technik zurückgegriffen werden. Das Verhältnis zwischen dem persönlichen Anwesenheitsunterrichts und den virtuellen Schulen soll ebenfalls je nach Altersgruppe variieren, so dass jüngere Schüler viel mehr zwischenmenschliche Interaktion erhalten.

Selbstverständlich birgt auch dieses Zwischensystem seine eigenen Nachteile, vor allem wenn zunächst einmal die verwirrenden Stundenpläne betrachten werden, jedoch könnte dieses Hybridsystem der Beginn und gleichzeitig die Zukunft eines komplett neuen Lern- und Unterrichtsystems werden.


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