Was ist Zufall? – Oder gibt es ihn gar nicht?

Offensichtlich fallen die Zahlen beim Würfeln zufällig, denn voraussagen lassen sie sich ja nicht, oder? Foto: Achim Raschka / commons.wikimedia.org / CC BY-SA 4.0

(hp). Stell Dir vor, Du bist mit Deinen Eltern in den Ferien weit weg in einen kleinen, unbekannten Urlaubsort gefahren und triffst dort eines nachmittags am Strand einen Deiner Schulfreunde. „Was für ein Zufall“, werdet ihr euch vielleicht wundern und gemeinsam ein Eis essen gehen.

 

 

Tatsächlich ist euer Zusammentreffen am Strand alles andere als Zufall. Denn als zufällig gilt ein Ereignis nur dann, wenn sich dafür keine Erklärung oder eine Ursache finden lässt. Für euer Treffen am Strand gibt es aber eine ganze Reihe von Ursachen: So sind eure Familien zur selben Zeit in den Urlaub gefahren. 

Ihr habt euch den selben Ort als Urlaubsziel ausgesucht. Nicht zuletzt haben beide Familien am selben Tag einen Strandbesuch eingeplant. Hätte jemand die Urlaubspläne eurer beiden Familien ganz genau gekannt, dann hätte er euer „zufälliges“ Treffen am Strand sogar vorhersagen können.

Bei allen Ereignissen, die vorhersagbar und damit berechenbar sind, kann kein Zufall im Spiel sein. Damit hat es der Zufall sehr, sehr schwer in der Welt, denn für alle Dinge die geschehen, gibt es mindestens eine, meist aber mehrere Ursachen.

Das lässt sich gut erklären mit dem scheinbar zufälligen Fall von Würfeln. Hier kann man offensichtlich nicht vorhersagen, welche Augenzahl als nächste fallen wird – vorausgesetzt natürlich, man mogelt nicht. Aber auch hier ist kein Zufall im Spiel. Das Ergebnis eines Wurfes scheint uns nur darum zufällig, weil es uns nicht möglich ist, alle Startbedingungen des Wurfes genau zu kennen.

Denn wüssten wir zum Beispiel ganz exakt, wie sich die Würfelhand bewegen wird, aus welcher Höhe der Würfel fällt, wie schnell er sich dreht, wie seine Lage im Raum ist, wie das Material der Tischplatte und des Würfels beschaffen sind, wie sich der Luftwiderstand auswirkt, dann könnten wir tatsächlich berechnen, welche Zahl fallen wird.

All diese Startbedingungen müssten wir aber genauer kennen, als wir sie mit unseren bes­ten Methoden messen könnten. Da das offensichtlich unmöglich ist, sprechen wir beim Fall eines Würfels von einem subjektiven Zufall.
„Subjektiv“ bedeutet in diesem Fall, dass es für uns persönlich zwar nicht möglich ist, alle Bedingungen des Wurfes zu kennen und zu berechnen. Dennoch lassen die einzelnen Startbedingungen eines Wurfes in ihrem Zusammenspiel nur eine einzige, ganz bestimmte Augenzahl als Ergebnis zu. Und damit ist sie nicht zufällig.

Solche subjektiven Zufälle begegnen uns überall in der Welt, und meist meinen wir diese, wenn wir von einem Zufall sprechen. Beispiel hierfür sind der „zufällige“ Fall einer Roulette-Kugel, ein Blitz, der „zufällig“ in einen bestimmten Baum einschlägt, die „zufällig“ gezogenen Lottozahlen und natürlich auch die „zufällige“ Begegnung zweier Kinder am Strand.

Ein Ereignis, das auftritt, ohne dass es eine Ursache dafür gibt, wird man niemals beobachten können. Bedeutet dies das Aus für den echten Zufall? Nicht ganz. Denn in der Physik und hier in der allerkleinsten Welt der Atome – dort gibt es echte Zufälle. Ereignisse also, die ohne vorherige Ursache geschehen.

Ein Beispiel hierfür ist der Zerfall eines radioaktiven Atoms. Wir wissen, dass es zwingend irgendwann zerfallen muss. Wissenschaftler können sogar sehr genau die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der das Atom in einem bestimmten Zeitraum, zum Beispiel innerhalb der nächsten Minute, Stunde oder Jahre zerfallen wird. Den genauen Zeitpunkt berechnen, wann das Atom zerfällt, können sie nicht. Denn der Zerfall eines Atoms erfolgt ohne anstoßende Ursache und damit tatsächlich zufällig.

Autor: Holger Podszun