Waren die Winter früher wirklich kälter?

Hoch im Norden Europas, wie hier auf dem Bild in Finnland, schneit es in jedem Winter viel länger und viel mehr als bei uns hier im Münsterland. Ab Oktober fällt in Finnland der erste Schnee, der erst ab Ende März wieder schmilzt. Ein halbes Jahr Winter mit Schnee? Das ist ein bisschen viel, oder?Foto: Anneli Salo / Wikipedia

Wenn eure Eltern oder eure Großeltern sich an die Winter ihrer Kindheit hier im Müns­terland erinnern, dann erzählen sie euch oft von wochenlanger bitterer Kälte und von dick mit Schnee bedeckter Landschaft. Und dass sie den ganzen Winter lang jeden Tag mit ihren Schlitten zum Rodeln gehen konnten.

Dass sie einen Schneemann nach dem anderen gebaut haben. Dass früher in den Wintern die Teiche und Seen und manchmal sogar die Ems zugefroren waren, sodass man fast in jedem Winter draußen Schlittschuhlaufen gehen konnte.

Aber war das wirklich so? Hatten unsere Eltern und Großeltern in ihrer Kindheit die schöneren Winter mit Schnee, Rodeln und Schlittschuhlaufen?

Um das herauszufinden, müssen wir ein wenig Wissenschaftler spielen: Dazu bietet es sich zum Beispiel an, dass wir uns die durchschnittlichen Wintertemperaturen der letzten Jahrzehnte einmal anschauen. Als „Winter“ gelten hierbei die kompletten drei Monate Dezember, Januar und Februar.
So gab es in den Jahren von 2001 bis 2010 vier kalte und lange Winter, in denen die durchschnittliche Temperatur dieser drei Monate zusammen unter 0° C lagen.

Schauen wir uns jetzt einmal die Jahrzehnte an, in denen unsere Eltern jung waren. Beginnen wir mit den Jahren von 1971 bis 1980: Da gab es tatsächlich nur einen einzigen Winter, der eine durchschnittliche Temperatur unter 0° C aufwies. Insgesamt waren die Winter der 70er Jahre durch besonders milde Temperaturen gekennzeichnet.

Etwas kälter als in den 70er Jahren waren die Winter der Jahre von 1961 bis 1970: Aber auch hier gab es nur vier Winter mit durchschnittlichen Temperaturen unter 0°C.

Langsam nähern wir uns jetzt der Kindheit unserer Großeltern: Aber selbst hier, in den beiden Jahrzehnten von 1941 bis 1950 und von 1951 bis 1960 gab es jeweils nur vier Winter mit Temperaturen unter 0°C. Genauso sah es auch in den 1930er Jahren mit vier Wintern und den 1920er Jahren mit drei Wintern unter 0°C aus. Von 1911 bis 1920 schaffte es sogar nur ein einziger Winter unter 0°C.

Aber woran liegt es, dass unsere Eltern und Großeltern sich an vermeintlich so viele, kalte und wochenlang verschneite Winter ihrer Kindheit zu erinnern glauben?

Wissenschaftler vermuten, dass sich die Menschen ganz besonders gut an extreme und ungewöhnliche Wetterereignisse erinnern: So war zum Beispiel der Winter 1962/63 der kälteste Winter seit dem Jahr 1901 und der Schnee blieb damals viele Wochen, sogar monatelang liegen. Daran können sich vielleicht eure Großeltern noch besonders gut erinnern und haben darüber vielleicht die vielen anderen, milden Winter des Jahrzehntes vergessen. Auch 1979 gab es im Januar einen Kälteeinbruch mit sehr viel Schnee, der ebenfalls viele Wochen lang liegen geblieben war.

Daran werden eure Eltern sich vielleicht erinnern – und vergessen haben, dass die übrigen Winter der 1970er Jahre sogar viel milder und wärmer waren als die Winter der Jahre von 2001 bis 2010.