Drehen sich Wasserwirbel stets in die gleiche Richtung?

Ein Wirbelsturm vor der Küste der USA: Auf der Nordhalbkugel zwingt die Corioliskraft solch einen Sturm immer dazu, sich links herum zu drehen. Foto: NASA

(hp) Wenn sich vor ein paar hundert Jahren ein Kapitän mit seinem Segelschiff auf dem Ozean verirrt hatte, konnte er mit einem einfachen Trick zumindest herausfinden, ob er sich auf der Süd- oder der Nordhalbkugel der Erde befand. Dazu brauchte er nur eine Wanne mit einem Stöpsel am Boden.

Füllte der Kapitän die Wanne mit Wasser und zog dann den Stöpsel, dreht sich der kleine Wirbel, der sich um den Abfluss bildet, auf der Nordhalbkugel immer rechts herum und auf der Südhalbkugel immer nach links.

Verantwortlich für diesen Effekt ist die sogenannte „Corioliskraft“, die auf das abfließende Wasser einwirkt und die Drehrichtung des Wirbels bestimmt. Leider hat diese Geschichte einen Schönheitsfehler: Der Trick funktioniert nicht. Doch dazu später mehr.

Was an der Geschichte „funktioniert“, ist die Corioliskraft; die gibt es tatsächlich und sie hat ihre Ursache in der Drehung der Erdkugel. Um die Wirkung der Corioliskraft zu verstehen, muss man vorher das „Trägheitsgesetz“ kennen: Dieses physikalische Gesetz besagt, dass jedes Ding bestrebt ist, seinen momentanen Bewegungszustand beizubehalten.

Die Auswirkung des Trägheitsgesetzes habt ihr selbst schon häufig erfahren: Sitzt ihr zum Beispiel in einem Auto, das aus dem Stand stark beschleunigt, könnt ihr spüren, wir ihr in den Sitz gedrückt werdet. Das, was ihr da spürt, ist die sogenannte „Trägheit“, da euer Körper das Bestreben zeigt, in seinem unbewegten Zustand „träge“ zu verharren. Wenn das Auto nach dem Beschleunigen nun stark abbremst, habt ihr das Gefühl, nach vorne in den Sicherheitsgurt gezogen zu werden: Euer Körper zeigt das Bestreben, in schneller Bewegung zu bleiben. Auch dies ist die Auswirkung des Trägheitsgesetzes.

Um die Corioliskraft zu verstehen, müssen wir jetzt das Trägheitsgesetz mit der Drehung der Erdkugel zusammenbringen:

An die Drehung der Erde sind natürlich auch alle Dinge auf ihr gebunden. Auch wenn ihr aus eurer Sicht scheinbar völlig still auf einem Stuhl sitzt, bewegt ihr euch doch auf der sich drehenden Erde in Richtung Osten, der Drehrichtung der Erde.

Wenn ihr nun von eurem Stuhl aufsteht und von ihm weggeht, dann zeigt euer Körper das Bestreben, in seiner ursprünglichen Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit zu bleiben. Auf eurem Stuhl sitzend war dies die Richtung und Geschwindigkeit der Erddrehung.

Tatsächlich wirkt jetzt ebenso wie beim Bremsen oder Beschleunigen im Auto auf euren Körper eine Kraft, die euren Körper in Richtung der Erddrehung ablenkt: Das ist die Corioliskraft.
Weil die Stärke der Corioliskraft abhängig ist von der Ausdehnung des Objektes, auf das sie einwirkt, können wir Menschen sie nicht spüren. Dazu sind wir viel zu klein.

Ein Ozean aber oder die Atmosphäre der Erde sind groß genug – und hier wird die Corioliskraft so gewaltig, dass sie Meeresströmungen in Bewegung setzt und die Drehrichtung der Hoch- und Tiefdruckgebiete in der Atmosphäre bestimmt: Auf der Nordhalbkugel drehen sich alle Hoch- oder Tiefdruckwirbel stets in die gleiche Richtung und immer entgegengesetzt zu den Wirbeln auf der Südhalbkugel.

Also müsste sich der Strudel über dem Abfluss in der Wanne doch auch immer in die gleiche Richtung drehen, oder etwa nicht? Das ist theoretisch richtig. Praktisch ist der Wirbel über dem Abfluss in einer Wanne aber so klein, dass sich die Corioliskraft nur verschwindend gering auswirkt. Die winzigsten und zufälligen Bewegungen des Wassers, die auch Stunden nach dem Befüllen der Wanne noch vorhanden sind, beeinflussen die Richtung, in der sich der Strudel über dem Abfluss dreht, weitaus mehr, als die Corioliskraft. So unterliegt es dem Zufall, in welche Richtung sich der Wirbel in der Wanne dreht, egal auf welcher Hälfte der Erde wir sind.