Wie war das Mittelalter wirklich?

Das Bild zeigt eine Szene bäuerlichen Lebens im ausgehenden Mittelalter.Bild: Simon Bening

(hp). Wenn wir das Wort Mittelalter hören, dann denken wir meist an ein Zeitalter in dem gepanzerte Ritter das Sagen hatten, das einfache Volk in Hunger und Armut darbte, in denen die Menschen in ständiger Angst vor Krieg und Seuchen lebten und in dem es jahrhundertelang kaum Fortschritte in Wissenschaft und Technik gab – all das zusammen brachte dieser Epoche auch den Beinamen „finsteres“ Mittelalter ein.

Doch so finster war das Mittelalter in Wirklichkeit gar nicht. In unserer folgenden kleinen Aufzählung findet ihr die häufigsten Vorurteile über das Mittelalter – und wie es wirklich war.

1. Die Menschen des Mittelaters waren schmutzig und wuschen sich fast nie.

Falsch! Das Gegenteil ist richtig. Die Menschen im Mittelalter badeten gerne und auch oft. In fast jeder Stadt gab es in dieser Zeit Badehäuser, wo die Menschen gegen Bezahlung in großen Bottichen baden konnten. Hier gab es neben Badesalzen, die im Wasser aufgelöst die Haut reinigten und pflegten, auch wohlriechende Öle und Parfüme zu kaufen. Sogar Getränke und Speisen wurden in den Badehäusern serviert. Wer arm war und sich den Besuch in einem Badehaus nicht leisten konnte, der versuchte so oft wie möglich in Seen oder Flüssen zu baden.


2. Die Bauern des Mittelalters waren Leibeigene und mussten wie Sklaven ununterbrochen für ihre Herren schuften.

Stimmt nicht ganz. Tatsächlich waren fast alle Bauern bis auf wenige Ausnahmen Leibeigene, die ihren Grundherren Abgaben und auch Dienste schuldeten. Ganz sicher war die Arbeit über das Jahr und ganz besonders zur Zeit der Aussaat und Ernte besonders hart. Aber ununterbrochen arbeiten mussten die Bauern nicht. Denn neben den arbeitsfreien Sonntagen galten im Mittelalter rund 100 kirchliche Feiertage, die ebenfalls arbeitsfrei waren. Damit hatten die Bauern etwa 152 arbeitsfreie Tage im Jahr. Zum Vergleich: Ein heutiger Arbeiter kommt bei einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 24 Tagen zuzüglich rund 52 Sonntagen, 52 arbeitsfreien Samstagen sowie rund 10 arbeitsfreien, teils kirchlichen Feiertagen auf „nur“ 138 freie Tage im Jahr.


3. Im Mittelalter wurden Hexen verfolgt und verbrannt.

Stimmt nicht ganz. Fast das ganze Mittelalter hindurch lehrte die Kirche, dass es weder Hexerei noch Magie gebe. Erst im Jahr 1484 – ganz am Ende des Mittelalters – behauptete auch die Kirche, dass es Zauberei gibt und erlaubte die Bestrafung von Hexen. Der Höhepunkt der Hexenverfolgung und -verbrennung lag in der frühen Neuzeit zwischen den Jahren 1550 und 1650.

4. Es gab keinen Fortschritt und keine Forschung im Mittelalter.

Stimmt nicht. In der Landwirtschaft gab es zahllose Erfindungen zum Beispiel die Dreifelderwirtschaft, verbesserte Pflüge oder Zuggeschirre. Wind- und Wassermühlen wurden technisch erheblich verbessert. Der Kompass und die ersten mechanischen Uhren wurden erfunden. In Italien wurden die Grundlagen für unser modernes Bankwesen gelegt. Der Buchdruck wurde erfunden. Die ersten Entdecker brachen in die Weiten der Ozeane auf. Die ersten europäischen Universitäten wurden gegründet.

Das Mittelalterbeginnt mit dem Ende der Antike etwa im 6. Jahrhundert. Es endet mit dem Beginn der Neuzeit, der häufig auf das Jahr der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 oder auch auf den Beginn der Reformation im Jahr 1517 datiert wird.