Seit wann wissen wir, dass die Erde eine Kugel ist?

Dieses Bild aus einem mittelalterlichen Buch wurde vor etwa 850 Jahren gemalt und zeigt die Erde als eine Kugel. Bild: Hildegard von Bingen /gemeinfrei

(hp). Vielleicht habt ihr auch schon einmal gehört, dass die Menschen angeblich noch im Mittelalter dachten, die Erde sei eine Scheibe. Erst Christoph Kolumbus habe als einer der ersten Menschen an die Kugelgestalt der Erde geglaubt.

 

 

Mit seiner Fahrt im Jahr 1492 habe er beweisen wollen, dass man Asien und Indien nicht nur auf dem Landweg mit einer Reise nach Osten erreichen kann, sondern – da die Erde eine Kugel ist – auch auf dem Seeweg nach Wes­ten segelnd. Diese Geschichte ist natürlich Unsinn: Die gebildeten Menschen des Mittelalters wussten, dass die Erde eine Kugel ist. Nicht einig waren sie sich allerdings, wie groß diese Erdkugel wohl sei. Christoph Kolumbus zum Beispiel unterschätzte den Umfang der Erde ganz erheblich – etwa um ein Viertel. Kolumbus‘ Versuch, auf dem Seeweg nach Westen fahrend Indien zu erreichen, wäre somit jämmerlich gescheitert, da den Seeleuten unterwegs unausweichlich Trinkwasser und Proviant ausgegangen wäre. Nur der Umstand, dass Kolumbus auf seinem Weg nach Indien „zufällig“ den Kontinent Amerika entdeckte, hat ihn und seine Mannschaft vor dem Verdursten und Verhungern bewahrt.

Tatsächlich war das Wissen um die Kugelgestalt der Erde bereits seit der Antike verbreitet. Dieses Wissen ersetzte die Vorstellung von der Erde als einer von einem Ozean umgebenen Scheibe, wie sie in den Schöpfungsmythen vieler Völker häufig beschrieben wird.

In Europa vermuteten die Menschen das erste Mal vor rund 2.500 Jahren, dass die Erde womöglich eine Kugel sein könnte. Der griechische Philosoph Platon war einer der ersten Menschen, der durch logische Schlüsse auf die Kugelgestalt der Erde schloss.

So war ihm aufgefallen, dass von aus dem Hafen auslaufenden Segelschiffen zuerst der Rumpf unter der Horizontlinie verschwindet, dann allmählich die Segel, bis schließlich nur noch die Mastspitze zu sehen ist und auch diese wenig später unter den Horizont abtaucht. So etwas ist natürlich nur möglich, wenn die Oberfläche des Meeres wie auf einer Kugel gekrümmt ist.
Mit den Sternbildern verhält es sich ähnlich, bemerkte Platon: Reist man zum Beispiel weit genug von Norden nach Süden, kann man feststellen, dass südliche Sternbilder dort höher am Himmel stehen. Auch solch eine Beobachtung ist nur möglich, wenn die Erde eine Kugel ist.

Etwa 200 Jahre später beobachtete der Mathematiker Eratosthenes, dass sich die Sonne an einem bestimmten Tag des Jahres im Wasser eines tiefen Brunnens in Südägypten spiegelte. Daraus schloss er, dass die Sonne an diesem Tag genau im Zenit, also senkrecht über dem Brunnen stand.

An genau dem gleichen Tag des Jahres wirft aber ein Obelisk in der etwa 800 Kilometer nördlicher gelegenen Stadt Alexandria einen kurzen Schatten. Aus der Länge des Schattens konnte Eratosthenes errechnen, dass die Sonne dort an besagtem Tag nicht im Zenit steht, sondern dass ihr Licht in einem Winkel von 7 Grad einfällt.

Auch eine solche Beobachtung kann man nur machen, wenn Brunnen und Obelisk nicht auf einer flachen, sondern gekrümmten Oberfläche liegen.

Da Eratosthenes ein überaus genialer Mathematiker seiner Zeit war, gelang es ihm, aus der bekannten Entfernung von Brunnen und Obelisk zueinander und dem Winkel des (parallel) einfallenden Sonnenlichtes den Umfang der Erde zu berechnen: Sein Ergebnis lautete ziemlich genau 40.000 Kilometer, was der uns heute bekannten Größe bis auf wenige Kilometer genau entspricht. Dieses Wissen allerdings ging im Laufe der Jahrhunderte wieder verloren und wurde erst in der Neuzeit – nach Kolumbus – wiederentdeckt.

Autor: Holger Podszun