Seit wann fahren Menschen zur See?

Eine der ältesten Darstellungen eines Segelschiffes – das Bild stammt aus Ägypten und ist etwa 3.400 Jahre alt. Bild: Maler der Grabkammer des Menna

(hp) Eine kleine Gruppe steinzeitlicher Vormenschen streift auf der Suche nach neuen Jagdgründen durch unbekanntes Land. Plötzlich liegt ein Fluss in ihrem Weg. So breit und tief ist dieser Fluss und so stark die Strömung, dass selbst die stärksten Menschen der Gruppe kaum genug Kraft haben, hinüberzuschwimmen.

 

 

Ganz zu schweigen von den Kindern oder den Alten. Vor solch einem Problem werden die Jäger und Sammler der Steinzeit zahllose Male gestanden haben. Vermutlich haben sie es immer auf ähnliche Weise gelöst: Sie schnürten dicke Äste oder auch Schilfrohr zu floßähnlichen Bündeln zusammen. Kleine Kinder konnte man auf diese Bündel setzen, Erwachsene sich daran festhalten. Auf diese Weise konnte man sich über einen Fluss treiben lassen und sogar die Richtung ein wenig durch Strampeln mit den Beinen beeinflussen.

Mit der Zeit haben die Menschen gelernt, immer bessere Flöße zu bauen. Vermutlich vor 70.000 Jahren waren sie in der Lage, große Binnengewässer wie Flüsse oder Seen und vielleicht auch das Meer in Ufernähe zu befahren. Allerdings gibt es bisher keine archäologischen Funde, die diese Theorie bestätigen. Man hat aber Harpunen und Angelhaken gefunden, die aus dieser Zeit stammen. So liegt die Vermutung nahe, dass Menschen zum Fischen auch aufs Wasser hinausgefahren sind. Sicher ist das aber nicht, da die Menschen zum Fischen mit Harpune oder Angel auch nur ins flache Wasser gewatet sein könnten.
Spätestens vor 40.000 Jahren müssen Menschen in der Lage gewesen sein, nicht nur Seen und Flüsse zu befahren, sondern auch kurze Strecken über das offene Meer. Zwar gibt es auch aus dieser Zeit keine archäologischen Funde von Wasserfahrzeugen gleich welcher Art – aber ungefähr 40.000 Jahre alt sind die ältesten menschlichen Siedlungsspuren auf dem australischen Kontinent. Und dieser war seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte ausschließlich auf dem Seeweg über eine mindestens 100 Kilometer breite Wasserstraße zu erreichen.

Das erste Boot, das die Menschen gebaut haben und das diesen Namen wirklich verdient, wird ein „Einbaum“ gewesen sein: ein mit Steinwerkzeugen und der Hilfe von Feuer ausgehöhlter Baumstamm. Wo es keine dafür geeigneten Bäume gab, spannten die Menschen Tierhäute über Rahmen aus Korbgeflecht oder über Rahmen aus Ästen oder Tierknochen. Wo ausreichend Schilfrohr wuchs, schnürten die Menschen das Rohr zu Bündeln und formten aus mehreren solcher Bündel ein Schilfboot. Diese drei Bootstypen werden sogar heute noch gebaut und verwendet.Aber solch kleine Boote taugen noch nicht zur Seefahrt. Sie sind zu klein, um damit weiter als einige Dutzend Kilometer auf das offene Meer hinauszufahren. 

Um Tage oder Wochen auf dem Meer zu verbringen und neue Länder weit hinter dem Horizont zu entdecken und zu besiedeln, braucht es außer stabilen und genügend großen Booten vor allem eines: einen von Paddeln oder Rudern und damit von der Muskelkraft der Menschen unabhängigen Antrieb. Erst mit der Erfindung des Segels war ein solcher Antrieb erfunden. Wann dies genau geschah, ist nicht bekannt. Erste Hinweise auf mit Segeln angetriebene Schiffe finden sich aber schon auf etwa 7.000 Jahre alten Bildern, die im heutigen Ägypten gefunden wurden.  Die Erfindung des Segels war für die Seefahrt die wohl wichtigste Errungenschaft – denn mit dem Segeln beginnt erst die eigentliche Geschichte der Seefahrt.

Autor: Holger Podszun