(hp). Wenn wir an das Mittelalter denken, dann fallen uns meist Ritter in ihren schweren, eisernen Rüstungen ein, wir denken an Burgen, an Turniere und natürlich an die vielbesungene Ritterlichkeit. Tatsächlich spiegeln solche Vorstellungen nur das Spätmittelalter wider, das selbst nur einen kurzen und den letzten Teil des gesamten Mittelalters ausmacht.
Das Mittelalter – so lautet die anerkannte Definition – beginnt mit dem Ende des vorhergehenden Zeitalters: der Antike. Und diese endete in Europa mit dem Untergang des Römischen Reiches. Dieser Untergang fand aber dummerweise nicht überall auf einen Schlag statt, sondern in den Teilen des riesigen Reiches zu sehr verschiedenen Zeiten. Und auch dann kam das Ende nicht abrupt, sondern konnte sich über Jahrzehnte hinziehen. Das macht es unmöglich, ein genaues Datum für das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters anzugeben, wie man am Beispiel Britannien sieht: Bereits ab dem Jahr 383 zogen sich große Teile der römischen Armee von der Insel zurück. Aber erst um das Jahr 410 dürften nahezu alle Römer Britannien verlassen haben und die Antike damit hier endgültig enden.
In Frankreich endete der römische Einfluss etwa um das Jahr 500 mit der Eroberung der römischen Gebiete durch den fränkischen König Chlodwig. In Spanien sind die Forscher sehr uneins, was das Ende der Antike anbelangt: nach Meinung einiger Wissenschaftler etwa um das Jahr 600 bis 625 nach der Eroberung der römischen Gebiete durch den germanischen Stamm der Westgoten. Andere Forscher setzen das Ende der Antike hier erst mit der Eroberung Spaniens durch die Mauren im Jahr 711 an.
Die meisten Forscher haben sich der vielen Jahreszahlen und Meinungen wegen daher darauf geeinigt, das Ende der Antike und den Beginn des europäischen Mittelalters ungefähr in die Jahre 500 bis 600 zu legen.
Leider herrscht eine ebenso große Uneinigkeit darüber, wann das Ende des europäischen Mittelalters gekommen war. Einige Wissenschaftler setzten daher auch hier keine Jahreszahl, sondern den Beginn einer neuen Kulturepoche, die der sogenannten Renaissance, mit dem Ende des Mittelalters gleich.
Der Begriff Renaissance kommt aus der französischen Sprache und bedeutet so viel wie „Wiedergeburt“. Gemeint ist damit das Aufblühen von Kunst, Literatur und Wissenschaft zum Ende des Mittelalters. So wurde zum Beispiel der Buchdruck um das Jahr 1450 erfunden, wodurch die Literatur eine vorher noch nie erlebte Blüte erlebte, sich aber auch neue, wissenschaftliche Erkenntnisse in kürzester Zeit verbreiten und verfielfältigen ließen. Auch eine ganz neue Art von Musik entstand, als die Komponisten die Mehrstimmigkeit „erfanden“. In der Malerei entdeckten die Künstler ebenfalls neue Möglichkeiten des Ausdrucks in Farbe und Form, die noch bis heute nachwirken. So bekannte Bilder wie die Mona Lisa und die ebenso berühmten Fresken in der Sixtinischen Kapelle entstanden etwa um den Beginn des 16. Jahrhunderts. Auch der Forscherdrang der Menschen lebte auf; so wurde Amerika im Jahr 1492 entdeckt und von 1519 bis 1522 umrundete erstmals ein Schiff die Erdkugel.
Und nicht zu vergessen begann mit Martin Luther im Jahr 1517 die kirchliche Erneuerungsbewegung der Reformation. Wie schon der Beginn des Mittelalters, so zeigt sich auch sein Ende also nicht als ein plötzlich eingetretenes Ereignis, sondern als ein fließender, über viele Jahrzehnte verlaufender Übergang. Vereinfachend wird daher oft gesagt, dass das Mittelalter – ungefähr – vom Jahr 500 bis ins Jahr 1500 dauerte.
Autor: Holger Podszun