Gerichte aus dem 16. Jahrhundert im Dorfgemeinschaftshaus

In mittelalterlich nachempfundener Verkleidung und mit den näselnden Stimmen ihrer G-Alt- und C-Tenor-Krummhörner präsentierten (v.l.) Pfarrer Andreas Groll, Dorothee Groll, Pfarrer i.R. Heinz Gaiser und Heike Hollenberg rhythmisch gekonnt und tonal harmonisch zweistimmige Stücke aus der Zeit der Renaissance. Foto: W. Melcher

Lengerich

Tecklenburg-Ledde. Im zu Ende gehenden „Lutherjahr“ traf sich am vergangenen Wochenende eine illustre Schar Tecklenburger an der Tafel des Reformators unter dessen Motto „Iß, was gar ist, / trink, was klar ist, / red, was wahr ist“. Bei reichlich „Luther Bier“ und „Gesundem Brunnenwasser“ ließen sich die circa vierzig Gäste im Dorfgemeinschaftshaus Ledde ein Fünf-Gänge-Menu schmecken.

Kundige Ehrenamtliche der Gemeinde hatten die Gerichte mit Unterstützung der Gaststätte Steinigeweg nach Rezepten aus dem 16. Jahrhundert gezaubert. Neben reichlich Holzofenbrot und Schmalz, der Hochzeitssuppe von Luthers Frau Katharina, Sauerkraut mit „geroktem Fleisch“ und „gebacken süßer Apfelroll dazu ein dicken Rahm“, beeindruckte die fröhliche Tafelrunde.

Selbstverständlich sollte neben dem leiblichen Wohl die seelische Erbauung nicht zu kurz kommen. So durfte das kostbare Mahl nicht ohne Tischreden und Musik stattfinden. Pfarrer i.R. Heinz Gaiser trat als der Reformator im Talar und Barett auf. Es folgten Worte zum Ehestand als göttlicher Anordnung, dann zu den Frauen, auf die diese Welt niemals verzichten könnte, nicht nur weil sie die Kinder zur Welt brächten.

Schließlich bekamen die „Prediger“ und die „Ärzte“ ihr Fett weg. Die Ersteren sollten sich „kurz fassen“ und nicht ihre eigenen Anfechtungen und Zweifel im Glauben vergessen. Ohne das Heilwissen der Ärzte ginge es nun auch nicht. Trotz aller Skepsis in ihre Kunst solle man ihnen doch viel mehr Vertrauen entgegen bringen, was am meisten zur Gesundung helfe. Pastor Gaiser konnte es sich als Herr Luther nicht verkneifen, seine Verblüffung über seine Gegenwart im Reformationsjahr als Playmobil-Figur, als Socke oder Bonbon und anderen „Symbolen“ zum Ausdruck zu bringen.

Es habe ihn doch nichts anderes umgetrieben als „Christus allein“. Dass die Fülle dieser Wortbeiträge den Tafelnden nicht schwer im Magen lag, dafür sorgte die Musik des Pastorenehepaars Andreas und Dorothee Groll. Darunter mischten sie Choral-Bicinien mit der Melodie von bekannten Lutherliedern, die der Freund des Reformators und thüringisch-kursächsische Hofkapellmeis­ter Johann Walter (1496–1570) komponiert hat.


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