(hp). Das Reh ist eine in Deutschland und Europa sehr häufig vorkommende Wildart. Häufig kann man die Tiere daher auf Feldern und Wiesen weiden sehen – und doch wissen viele Menschen nicht, welches Tier sie dort beobachten. Da die männlichen Tiere, die sogenannten Rehböcke, ein nur recht kleines Geweih tragen, hält man sie oft für weibliche Hirsche.
Die weiblichen Rehe, die sogenannten Ricken, die keine Hörner tragen, werden häufig für „Hirschkinder“ gehalten. Diese Verwechslung wird begünstigt dadurch, dass Rehe erheblich kleiner sind als Hirsche. Zum Vergleich: Ein Rehbock erreicht eine Schulterhöhe von etwa 90 Zentimetern und wird bis zu 30 Kilo schwer. Ein Rothirsch hat eine Schulterhöhe von bis zu 1,50 Meter und wird bis zu 200 Kilo schwer.
Auch in der Lebensart unterscheiden sich die beiden Arten sehr. Hirsche leben in Rudeln, Rehe hingegen als Einzelgänger und in Kleinstfamilien. Die Rehböcke durchstreifen allein ihr Revier, die Ricken leben zusammen mit dem neugeborenen Kitz und dem Nachwuchs vom Vorjahr.
In einer intakten, natürlichen Umwelt sind Rehe seltene Tiere. Ursprünglich lebten sie in dichten Wäldern, wie uns ihr Körperbau verrät: Das kleine Geweih kann sich nicht in dichtem Buschwerk oder tief hängenden Ästen verfangen. Sein schmaler Brustkorb, recht kleine Vordergliedmaßen, aber dafür kräftige und größer ausgebildete Hinterläufe verleihen dem Reh eine Keilform, dank der es gut durch das dichte Unterholz schlüpfen kann.
Dichte, ursprüngliche Wälder gibt es allerdings kaum noch in Deutschland. So würde man annehmen, dass mit dem schwindenden natürlichen Lebensraum zugleich die Zahl der Rehe abnimmt. Aber das Gegenteil war der Fall: Unsere heutige durch die intensive Landwirtschaft geprägte Kulturlandschaft mit den lichten und durchforsteten Nutzwäldern bietet den Rehen sogar bessere Lebensbedingungen als ihr ursprünglicher Lebensraum. Da Rehe sehr anpassungsfähige Tiere sind, waren sie sogar in der Lage, ihr Sozialverhalten den neuen Bedingungen anzupassen. Dort, wo die Landschaft durch weite Acker- und Feldflure geprägt ist, kann man große Herden von bis zu 100 Tieren beobachten – statt, dass die Tiere, so wie es ihr natürliches Verhalten wäre, als Einzteltiere und in Kleinverbänden unterwegs sind.
Mancherorts sind die Bestände der Tiere so hoch, dass sie durch Verbiss den Wald schwer schädigen. Vorzugsweise fressen die Tiere die zarten Triebe junger Bäume, sodass diese stark in ihrem Wachstum gehemmt werden und zum großen Teil absterben. Der Wald kann sich so nicht mehr verjüngen und wird so sehr geschädigt, dass dies den Auswirkungen einer Naturkatastrophe nahekommt.