Wer hat Angst vor dem bösen Wolf?

Die Angst vor dem „bösen Wolf“ ist unter den Menschen uralt und findet sich als Motiv in vielen Märchen auf der ganzen Welt. Bild: Carl Offterdinger

Tier des Monats

(hp) In den bayerischen Alpen ist in diesen Tagen ein wild lebender Wolf gesichtet worden, der wahrscheinlich aus den italienischen Alpen dort eingewandert ist. Nun sind in Bayern viele Bürger besorgt, denn der Wolf hat nicht nur dort einen schlechten Ruf. Die meisten Menschen kennen ihn nur noch aus dem Märchen, in dem er zum Beispiel Rotkäppchens Großmutter oder die sieben Geißlein gefressen hat.

Eigentlich galt der Wolf in Deutschland schon seit dem 19. Jahrhundert als ausgerottet; zum Beispiel bei uns im Münsterland wurde der letzte Wolf am 19. Januar 1835 in Ascheberg erlegt. Doch seit dem Ende der 1990er Jahre sind aus dem Osten Europas wieder Wölfe nach Deutschland eingewandert. So schätzten Wissenschaftler, dass heute in den ostdeutschen Bundesländern und hier vor allem in der Lausitz in Sachsen und Brandenburg mindestens 24 Wolfsrudel leben.

Sorgen darüber, dass auch hier bei uns im Münsterland ein Wolfsrudel auftaucht, muss man sich allerdings nicht machen. Das wird sicherlich noch viele Jahre dauern, denn die allermeisten Wölfe bevorzugen möglichst dünn von Menschen besiedelte Regionen.

Vor vielen zehntausend Jahren war der Wolf das am weitesten verbreitete Landraubtier der Erde. Wölfe lebten in großer Zahl in Asien, Europa, Nordafrika und Nordamerika – von den eisigen Polargebieten bis in die heißen Wüsten hinein. Als die Menschheit dann zum Ende der Steinzeit sesshaft wurde, die Landwirtschaft, die Viehzucht und die Weidewirtschaft erfand, wurde der Wolf zu einem großen Nahrungskonkurrenten. Seitdem wurde er jahrtausendelang intensiv von den Menschen bejagt, vertrieben und galt in den meisten Regionen als fast völlig ausgerottet.
Erst als in den 1970er Jahren das Bewusstsein für den Umwelt- und Artenschutz immer mehr wuchs, begannen die Menschen umzudenken: Neben vielen anderen Tieren wurde auch der Wolf international geschützt und die Jagd auf ihn in den meisten Ländern Europas und der Welt verboten. Von vielen Menschen in Deutschland wird es heute als Zeichen einer intakten Natur gedeutet, wenn der Wolf wieder in seine alten Lebensräume einwandert, aus denen er seit fast 200 Jahren vertrieben war.

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts leben in Europa immer mehr Wölfe. In Deutschland wurde im Jahr 2000 der erste wieder in freier Natur geborene Wolf beobachtet. Die ersten Erfahrungen mit Wölfen in Deutschland zeigen aber auch, dass viele alte Vorurteile über den „bösen Wolf“ nicht stimmen: So weiß man aus über zehn Jahren Beobachtung der Wolfsrudel in der Lausitz, dass die Tiere keineswegs das Jagdwild ausrotten und das Gleichgewicht in der Natur unvorhersehbar stören, was früher von Jägern häufig behauptet wurde.

Andererseits hatten Wissenschaftler und Naturschützer auch immer angenommen, dass die neu eingewanderten Wölfe sehr scheue Tiere seien, die eine Begegnung mit Menschen darum immer vermieden. Damit wurde begründet, dass die Tiere für Menschen völlig ungefährlich seien.
Nun konnte man beobachten, dass Wölfe aber auch sehr neugierig sind und sich manchmal bis auf wenige Meter an Menschen heranwagen.