Schnelle Entscheidungen treffen

Im ersten Raum stellt Tété Agbodan (links) den Schülern Jannik (Mitte) und Daniel ihre Rollen vor, die sie während der interaktiven Ausstellung einnehmen werden. Foto: missio-Truck

Lengerich

Lengerich. Samuel ist 15 Jahre. Er hat die Schule geschmissen, hat keine Ausbildung. Aber er spielt gut Fußball, kennt alle Nationalspieler. Sein Traum ist es, auch einmal Fußballprofi zu werden.

 

Was ihn von den Schülerinnen und Schülern der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule in Lengerich unterscheidet? Samuel lebt im Ost-Kongo, wo Bürgerkrieg herrscht. Seine Eltern wurden erschossen, er ist auf der Flucht.

Samuels Geschichte ist kein Einzelfall. Deswegen spielt er beim „missio-Truck“ des internationalen katholischen Hilfswerks ‚missio‘ eine der Hauptrollen – als fiktive Person, in die sich die Besucher der mobilen Ausstellung hineinversetzen sollen. In den vergangenen Wochen tourte der Truck zum Thema ‚Menschen auf der Flucht‘ durch das Bistum Münster. Am 23. und 24. November machte er Halt auf dem Schulhof der Realschule in Lengerich. Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen acht bis zehn schlüpften in die Rollen von Samuel, Eric, Falon und anderen fiktiven Jugendlichen.

Jeweils zu zweit durchlaufen die Schüler die insgesamt sechs, manchmal beklemmend engen, Ausstellungsräume im Truck. Auf ihrer Flucht werden sie per interaktive Computersimulation immer wieder mit realen Fragen konfrontiert. Jannik, Schüler der neunten Klasse, nimmt für die nächsten Minuten die Identität von Samuel an. Schon im zweiten Ausstellungsraum, einer Kirche im Ost-Kongo, in die die Bewohner eines Dorfes vor bewaffneten Milizen geflüchtet sind, muss er sich entscheiden: Was nimmt er auf seine Flucht mit? Nur wenige Sekunden hat er Zeit. Kleidung? Ein Adressbuch? Den Pass? Lebensmittel? Oder sogar Zeugnisse?

„Ich weiß gar nicht, ob ich die richtigen Entscheidungen getroffen habe“, sagt der 14-jährige Jannik später. Gehetzt habe er sich gefühlt. „Ich musste mich so schnell entscheiden, wie bei einer echten Flucht.“ Genau das ist die Absicht der Initiatoren des missio-Projektes. „Wir haben die Region Ost-Kongo beispielhaft für die Flüchtlingssituation gewählt, weil dort schon mehr als drei Millionen Menschen wegen des Bürgerkrieges ihre Heimat verlassen mussten“, erklärt Tété Agbodan, pädagogischer Begleiter des Trucks. Krieg herrsche dort vor allem wegen der illegalen Förderung von Rohstoffen, insbesondere von Coltan, das für die Herstellung von Handys notwendig sei. Zusammen mit seinem Kollegen Michael Kettelhoet spricht er vor und nach der Ausstellung mit den Schülern über die Situation im Kongo, über den Rohstoff Coltan und die Flüchtlingssituation weltweit. „Ganz schön beeindruckend“, sagt der 14-jährige Daniel, als er aus dem Truck steigt. „Man wird direkt in eine Flucht hineingezogen, dadurch kann man sich viel besser in die Flüchtlinge hineinversetzen.“

Mehr Informationen zum „missio-Truck“ und den einzelnen Stationen gibt es im Internet auf www.missio-hilft.de/truck.


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