Schulungsreihe gegen sexualisierte Gewalt

Ibbenbüren

„Warum sitzen ausgerechnet Sie heute hier? Warum muss sich auch die kleinste Kirchenmaus diesem Thema stellen?“ Referent Casten Feldkamp schaut in erstaunte Gesichter. Sie gehören hauswirtschaftlichen Mitarbeiterinnen von Kindertagesstätten, ehrenamtlichen Küstern, Hausmeis­tern oder Ehrenamtlichen aus Vorbereitungsteams von Kindergottesdiensten. Die Antwort gibt der Fragende selbst: „Weil genau Sie hierher gehören. Weil genau Sie helfen können, wenn Kinder sich Ihnen anvertrauen.“

Die Rede ist von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Mit einer groß angelegten Schulungsreihe stellen sich die katholischen Kirchengemeinden in Ibbenbüren diesem Thema. Den Auftakt machte dazu ein ers­tes Schulungsangebot für 80 ehrenamtliche Frauen, Männer und Jugendliche. Ein Ergebnis: Bei Verdachtsmomenten kann eine Tasse Kaffee wichtig sein. Zu der nämlich rät Referent Carsten Feldkamp.

„Überhastete Reaktionen helfen niemandem: Erst mal zurücklehnen, eine Tasse Kaffee trinken und sich mit Kollegen beraten“, schildert er aus seinem Arbeitsalltag als Sozialpädagoge und Sexualpädagoge beim Kinderschutzbund in Rheine. Der Fachmann ist einer von sechs Referenten, die den Schulungstag im Auftrag der Stabsstelle Prävention des Bistums Münster gestalten. Als Kooperationspartner vor Ort hatten die katholischen Kirchengemeinden die Familienbildungsstätte Ibbenbüren gewählt, die das Schulungs­angebot organisiert hat. Je nach ehrenamtlicher Tätigkeit bildeten sich die Teilnehmer in einer drei- oder sechsstündigen Veranstaltung fort.

Wie vielschichtig das Thema Sexualisierte Gewalt ist, das zeigten viele Übungen zur Sensibilisierung, die die Teilnehmer ausprobierten. Als knifflig erwies sich auch die Frage, was los ist, wenn ein Dreijähriger im Kindergarten erzählt, der Papa habe ihm beim Wickeln den Finger in den Po gesteckt. Es gab empörte Reaktionen, aber auch die Frage einer Teilnehmerin, ob der Vater womöglich ein Zäpfen gegeben habe.

Das Bistum Münster hat im Nachgang zum Missbrauchsskandal ein Handbuch an die Kirchengemeinden herausgegeben. Neben der Definition von sexuellem Missbrauch finden sich darin Verhaltensregeln und nützliche Adressen, wer im Verdachtsfall helfen kann.

Und es gibt Zahlen: Rund 40 Prozent aller Täter stammen aus dem sozialen Umfeld, mehr als 44 gar aus der eigenen Kernfamilie. Rund 80 Prozent der Täter sind männlich, Opfer von sexualisierter Gewalt sind Mädchen wie Jungen gleichermaßen. Nur ein Drittel aller Betroffenen erstattet Anzeige. Eine Pflicht zur Anzeige besteht auch nicht für Mitwisser. Wohl aber eine Handlungspflicht. Dabei muss sich ein betroffenes Kind statistisch gesehen bis zu acht Personen anvertrauen, ehe jemand etwas unternimmt.

Weitere Informationen gibt es auch unter www.praevention-im-bistum-muenster.de.