Umgang mit Flucht und Trauma

Haben mit der Verknüpfung von Flucht und Trauma in ihrer täglichen Arbeit zu tun: Lea Kurth, Naciye Yilmaz Dogun und Anke Küper (von links), Mitarbeiterinnen in der Flüchtlingssozialarbeit und Migrationsberatung der Caritas. Foto: privat

Emsdetten

Emsdetten. Und wieder sind Hunderttausende auf der Flucht vor dem rieg, dieses Mal im Norden Syriens, an der türkischen Grenze. Viel aktueller hätte das Thema in der „Woche der seelischen Gesundheit“ des Caritasverbands nicht sein können.

Aber es ging bei dem Vortrag „Umgang mit Flucht und Trauma“ von Dr. Matthias Heyng nicht allein um Menschen, die in diesen Tagen oder in den vergangenen Jahren aus afrikanischen Ländern oder dem Nahen Osten nach Deutschland gekommen sind.

Der Chefarzt für Psychosomatik und Psychotherapie des UKM Marienhospitals spannte das Thema bei der Veranstaltung in Kooperation mit dem Kommunalen Integrationszentrum Steinfurt weiter und grundsätzlicher auf. Der Caritasverband hat durch sein Beratungsangebot für Asylsuchende und Migranten direkt mit dem Thema zu tun, erklärte Helmut Henrich, als Fachbereichsleiter für die Hilfen für psychisch Kranke zuständig. „Wir haben selbst ein großes Interesse daran, mehr zu erfahren und in einen Austausch zu kommen“, sagte er in der Kapelle des Marien-Hospitals. „Flucht und Trauma sind sehr eng miteinander verknüpft“, berichtete Anke Küper, eine der drei Mitarbeiterinnen in der Beratung für Asylsuchende und Migranten, aus der Praxis.

Wie umfassend das Thema ist, machte Dr. Heyng deutlich. Er erinnerte daran, dass die so genannten „Ruhr-Polen“ während der Industrialisierung nichts anderes als Arbeitsmigranten waren wie später die Menschen aus der Türkei oder Italien, die als Gastarbeiter kamen. Und dass nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Millionen Deutsche aus den früheren östlichen Gebieten Deutschlands nach Westen flüchteten. Zeuge von Gewalt, der Anblick von Leichen, Gewalt gegen die eigene Person oder Folter: Das habe in der aktuellen Weltlage mehr als die Hälfte der Flüchtlinge, die nach Deutschland kamen, erlebt, so Heyng. „Wir haben es mit Menschen zu tun, die extreme Belastungen hinter sich haben.“ Symptome einer daraus möglicherweise folgenden Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) können Flashbacks durch Schlüsselreize, etwa Feuerwerks-Knallerei, sein, Schlafstörungen oder Schreckhaftigkeit. Menschen, die unter einer PTBS leiden, können den einmal ausgelösten Alarm in ihrem Gehirn nicht abschalten.

Seinen Zuhörern gab Dr. Heyng den Hinweis mit, dass es bei eventuell traumatisierten Flüchtlingen darauf ankommt, ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben, ihnen zuzuhören, besonders wenn sich Ängste, Wut oder Verzweiflung zeigen. Austausch und vernetzte Hilfsangebote würden helfen. Die Behandlung von Traumafolgen würde in einen therapeutischen Prozess gehören. Deutlich kritisierte Dr. Heyng, dass zuletzt für Flüchtlinge die Wartezeit, bis sie Zugang zu Therapeuten bekommen, verlängert wurde. 

Auch die Helfer setzen sich Risiken aus, stellte Dr. Heyng klar. Sie könnten durch Schilderungen extremer Situationen selbst traumatisiert werden, sich selbst überschätzen und überfordern, resignieren oder im Burnout enden – und müssten rechtzeitig auch an sich selbst denken.

Helmut Henrich vom Caritasverband erinnerte daran, dass die „Woche der seelischen Gesundheit“ dem Thema psychische Erkrankungen Gehör verschaffen und Toleranz und Akzeptanz fördern wolle.
Er lud ein „zum Sprechen darüber – auch das kann Probleme lösen“.


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