„Film ab“ seit 40 Jahren

Auf dem Foto sind die Filmenthusiasten Alfred Bischof, Hans Grevinga, Herbert Fühner und Georg Leugering (v.l.) zu sehen. Foto: privat

Rheine

Rheine. In Herders Volkslexikon ist nachzulesen: „Der Filmclub ist eine Vereinigung, die für Mitglieder ältere oder modernere, in öffentlichen Filmprogrammen selten erscheinende Filme aufführt“. Das hatte sich der Rheinenser Aloys Eßmann allerdings etwas anders vorgestellt, als er am 10. Januar 1976 über eine Anzeige Interessenten zur Gründung eines Schmalfilmclubs suchte.

Eßmann war der Sohn des Betreibers der 1948 eingerichteten „Schauburg-Lichtspiele“ an der Lingener Straße. Er selbst war viele Jahre Filmvorführer im Kino seines Vaters. Ende 1964 wurde der Kinobetrieb eingestellt.
Ziel des Filmclubs sollte es sein, gemeinsam eigene Filme zu drehen, zu vertonen und dabei intensiv zu experimentieren sowie Erfahrungen auszutauschen.
In der Versammlung zur Gründung des Filmclubs am 17. Januar 1976 in der Gaststätte Kohl im Schotthock wurde über die weitere Vorgehensweise und über den zukünftigen Clubnamen diskutiert. Die Jahreszahl der Vereinsgründung sollte nach übereinstimmender Meinung der 15 erschienenen Filmenthusiasten im Logo festgehalten werden: „film 76“.

Schon bald nach der Gründung, als gerade der Super-8-Film in einer Plastik-Kassette auf den Markt gekommen war und als die mit dem Kodak-Filmmaterial fest verbundene Tonspur marktfähig wurde, griffen Aloys Eßmann, Hans Grevinga, Georg Leugering und Udo Richling, wann immer es sich ergab und die Zeit es zuließ, zur Kamera. Sie hatten sich „mit Haut und Haaren“ dem Super-8-Film verschrieben, um Historisches sowie wichtige Ereignisse in und um Rheine in Bild und Ton festzuhalten.

Nach vielen „Filmjahren“ la-gerten im Clubarchiv auf unzählig vielen Filmspulen über 40 Stunden Filmmaterial, auf denen das „alte Rheine“ mit seinen historischen Bauwerken zu sehen sind. Die alte Nepomukbrücke, das „Waschkeschapp“, Nadorffs Tabakfabrik, Hotel Hartmann, das frühere Dionysius-Pastorat, die alte Post, etliche traditionsreiche Textilfabriken, die Emsstraße sogar mit dichtem Autoverkehr, die letzte Dampflokfahrt, die Neugestaltung des Marktplatzes, die 650 Jahr-Feier der Stadt und mehr Heimatgeschichtliches wurde auf Zelluloid gebannt.

Während der Dreharbeiten über den Abriss der Dechant-Pietz-Schule sowie des alten Pastorats und des Baus des Rathaus-Zentrums wurde Herbert Fühner, seinerzeit Vorstandsvorsitzender der hiesigen Volksbank, auf die Arbeiten und das Engagement des Amateurfilmclubs aufmerksam. Er bat die Dokumentarfilmer, den 1977 erfolgten Umzug der Volksbank von der Marktstraße ins Rathaus-Zentrum filmisch zu begleiten. Aus diesem Projekt entwickelte sich eine bis heute andauernde produktive Zusammenarbeit. Der erfolgreiche „harte Kern“, jetzt bestehend aus den Filmenthusiasten Alfred Bischof, Herbert Fühner, Hans Grevinga und Georg Leugering, hat noch immer Bestand.
Nach Anschaffung einer weiteren, technisch sehr hochwertigen Filmkamera der Marke Baulieu und einem modernen Elmo-Xenon-Filmprojektor, der aufgrund seiner Lichtstärke die Leinwand eines professionellen Kinos ausfüllen kann, entwickelte sich dieses „filmische Quartett“ zum „professionellen Dreh“. Im Verlaufe der Jahre wurden viele weitere heimatgeschichtlich relevante Filme gedreht.

1994 entstand der abendfüllende Dokumentarfilm „Rheine – Bilder einer Stadt“. Als „Drehbuch“ diente der gleichnamige Bildband von Herbert Fühner und Chris­tian Grovermann. Kurz darauf drehte das Team einen 60 Minuten-Film mit dem schlichten Titel „Neuenkirchen“. Diese Filme, deren Originale mittlerweile im Medienzentrum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) deponiert sind, wurden beispielsweise vor Schulklassen, Vereinen, Altenheimen und Volkshochschulen vorgeführt.

Den Film „Rheine – Bilder einer Stadt“ sahen fast 7.000 Zuschauer.

Aufgrund der großen Nachfrage wurden von beiden Werken je 500 Videokopien erstellt.

Erfinderisch gingen die vier Filmer, die stets als Team mit wechselnden Aufgabenbereichen zusammenarbeiteten, mit hin und wieder auftretenden Problemen um. Viele Vertonungen wurden hinter den schalldichten, meterdicken Wänden des Tresorraumes der Volksbank damals im Rathaus-Zentrum vorgenommen, um eine erstklassige Tonqualität zu erreichen.

Im Verlaufe vieler Jahre erfolgreicher Zusammenarbeit entwickelten sich dauerhafte Freundschaften. Auch heute noch, nach 40 Jahren, treffen sich die Hobby-Filmer regelmäßig. Durch Herbert Fühner ist der Filmclub auch im Arbeitskreis „Historische Filmdokumente“ vertreten, der unter dem Vorsitz des Stadtarchivars Dr. Thomas Gießmann und Heinz Schulte regelmäßig im „Metropoli-Kino für kleine Leute“ tagt.

Heinz Schulte, Initiator des Metropoli-Kinos, ist es zu verdanken, dass sämtliche vom „film 76“ produzierten Super-8-Filmstreifen ohne Qualitätsverlust auf DVD „für die Ewigkeit“ gespeichert sind. In einer kleinen Feierstunde wurden die Digitalscheiben an Dr. Thomas Gießmann übergeben – sie lagern heute im Stadtarchiv. Die alten, noch funktionstüchtigen Super-8-Kameras lagern jetzt im Archiv des Filmclubs.

Die Mitglieder von „film 76“ bleiben jedoch weiter in Aktion – jetzt mit modernen Digitalkameras; denn es gibt in Rheine und Umgebung immer noch viel in Bild und Ton festzuhalten – Ergebnisse sind auf Facebook oder Youtube unter „film 76“ zu finden.


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