„Ich kann leicht loslassen“

Christine Westermann in der Großen Evangelischen Kirche Burgsteinfurt. Foto: Nix

Steinfurt

Burgsteinfurt. Abschied nehmen, ist das nun immer ein schwerer Prozess oder geht’s manchmal auch ganz leicht? Eine Pauschalantwort gibt es auf diese Frage nicht. Christine Westermann, seit Jahrzehnten bekannte und beliebte Moderatorin im TV, erforschte in ihrem neusten Buch „Manchmal ist es federleicht“, den lebenslangen Prozess des Verabschiedens.

Die Autorin war Gast der Kooperationsveranstaltung „Atem:Pause“, für die das Kultur Forum Steinfurt und die Evangelische Kirchengemeinde Burgsteinfurt verantwortlich zeichnen. Das Format lockt mit mehreren Folgen sein Publikum zu einem doch eher außergewöhnlichen Veranstaltungsort, die Evangelischen Kirchen in Burgsteinfurt.

Westermann, die bis 2016 mit Götz Alsmann zusammen 20 Jahre lang die Kultserie „Zimmer frei“ moderierte, las in der Großen Kirche. Pfarrer Guido Meyer-Wirsching war begeistert, als er das bis auf den letzten Platz gefüllte Gotteshaus sah:„Es ist schön, die Kirche dermaßen voll zu sehen“. „Die Nutzung von Kirchenräumen ist heute nicht mehr auf Gottesdienste beschränkt“, erläuterte Kultur Forums-Direktorin Dr. Barbara Herrmann. Auch Informations- und Unterhaltungsformate finden hier ihren Platz. Die Radio- und Fernsehjournalistin Westermann war überrascht. Mit einem Gotteshaus als Leseort hatte sie nicht gerechnet, doch: „Die Kirche ist eine tolle Umgebung für die Lesung“, sagte sie begeistert. Nach ihrer Lesung signierte sie zahlreiche Bücher.

Das Thema „Abschied“ begleitet jeden Menschen ein Leben lang. Das Buch ist der Versuch, sich dem Phänomen und all seinen Facetten zu nähern. Der Abschied gehörte seit Kindesbeinen zu den Begleitern der Autorin. Mit ihrer Mutter flüchtete sie aus Ostberlin in den Westen, nachdem der Vater, ein DDR-Regimekritiker, bereits dort war.

Für zehn Jahre verabschiedete sie sich von Deutschland und lebte in San Francisco/USA. Sie hängte ihr Herz damals nicht an einzelne Dinge, nur ein Buch aus dem Besitz ihres früh verstorbenen Vaters hütete sie wie ihren Augapfel. Nach 70 Lebensjahren bilanziert die Schriftstellerin: „Ich kann leicht loslassen, mitunter auch von Menschen.“
Der Abschied vom mittleren Lebensabschnitt mit langsamen Abstrichen äußerer Attraktivität ist so eine Sache. „Das finde ich persönlich gar nicht so einfach“, sagt Westermann. Sie meistert den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor bei einem Thema, das für viele angstbesetzt ist.

Darum haben die Zuhörer auch viel zu lachen. Besonders kurzweilig wird es bei der Beschreibung ihres kontinuierlichen Kampfes mit Öffnungsmechanismen von Dosen und anderer Technik. Die Bedienungsversuche eines Induktionsherdes im Urlaub gerät zum spannenden Krimi. Doch sie verabschiedet sich von der Vorstellung, dass es an ihr selbst liegt. „Wer kann schon vom Verbraucher erwarten, genauso um die Ecke zu denken‘ wie die Konstrukteure der Küchengeräte es tun? 

Der „ganz große Abschied“ vom Leben ist ebenso thematisiert wie die letzte Sendung der Serie „Zimmer frei“. „Es gibt nichts was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll es auch gar nicht versuchen“, zitiert die Autorin den Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945). Die Gestaltung ihrer eigenen Trauerfeier sollen die Menschen übernehmen, die zurückbleiben müssen. Sie wissen schon, was angemessen ist.

Dass es ein großes Glück war, das unterhaltsame Fernsehformat „Zimmer frei“ moderieren zu dürfen, weiß Christine Westermann. Wie sagte doch Götz Alsmanns Vater immer: „So wie ihr arbeitet machen andere Leute Urlaub.“ Obschon sie nicht sentimental werden wollte, ein paar Tränchen gab’s bei der letzten Sendung in 2016 schon aus den Augenwinkeln zu wischen.


Anzeige