Fast jede Familie hat Auswanderer

Stellten im Stadtmuseum das neue Buch vor: Dr. Eckhard Hammerström und Wilhelm Alff (v.r.). Vom Heimatverein Burgsteinfurt mit dabei waren Renate Buntz, Norbert Schröder und Hans Knöpker. Foto: Menebröcker

Steinfurt

Steinfurt. „Von Steinfurt in die weite Welt“ ist das 550 Seiten starke Buch im DIN-A-4-Format überschrieben, das Wilhelm Alff und Dr. Eckard Hammerström vom Heimatverein Burgsteinfurt über die Auswanderer aus Burgsteinfurt und Borghorst in mehrjähriger Forschungsarbeit verfasst haben. Bereits seit 1997 haben sich die beiden Autoren intensiv mit dem Thema beschäftigt.

Dr. Rudolf Rübel widmete dem Thema Auswanderung lediglich eine halbe Seite in seinem Standardwerk zur Geschichte der Stadt Burgsteinfurt, das posthum 2013 erschienen ist.

Ergiebiger für die Autoren waren Recherchen im Staatsarchiv Münster und die Auswertung der Quellen, die die Westfälische Gesellschaft für Genealogie und Familienforschung zusammengetragen hatte und die 2004 als Band 60 der Gesellschaft erschienen ist. Als weitere Quellen, insbesondere für Auswanderer nach Amerika, dienten die Galzier / Filby-Edition „Germans to America“ und die „Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in die USA“.

Nach Abschluss der grundlegenden Arbeiten trafen sich der damalige Stadtarchivar Dr. Ralf Klötzer, Prof. Dr. Thomas Hoeren, Günther Hilgemann und Wilhelm Alff und beschlossen, die umfangreiche Datensammlung mit den Namen der Auswanderer des 19. Jahrhunderts aus Borghorst und Burgsteinfurt zunächst im Internet zu veröffentlichen. Die Stadt hatte sich bereit erklärt diese Aufgabe zu übernehmen. Dazu kam es jedoch nicht. Aufnahme fanden Alffs Materialien in der Datenbank „Westfalica electronica“ der Uni Münster. Für das jetzt erschienene Buch wurden die Namenslisten überarbeitet und ergänzt. Im Frühjahr 2018 wurde das Projekt konkret in Angriff genommen. Es umfasst die Zeit vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. „Fast jede zweite Familie in Burgsteinfurt war betroffen“, so Alff und Hammerström. Die Auswanderung nach Ostasien – Holländisch Indonesien – im 17. und 18. Jahrhundert ist bisher kaum untersucht worden. Zahlreiche junge Steinfurter hat die Vereinigte Ostindische Compagnie (VOC) wegen guter Verdienstmöglichkeiten nach Batavia (heute Jakarta) gelockt. Viele starben bereits auf dem Weg dorthin. Meist waren es wirtschaftliche und keine religiösen Gründe, die zur Auswanderung führten.

Die umfangreichste Datensammlung über Steinfurter Auswanderer hat Elisabeth Lindhof erstellt. Über 83.000 Namen finden sich in ihren Listen.

Alle Auswanderungen vom 14. bis ins 18. Jahrhundert beziehen sich auf Stadt und Kirchspiel (Hollich, Sellen, Veltrup) Burgsteinfurt. Borghorst hatte zu der Zeit nur wenig Einwohner. Das änderte sich erst mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Textilindustrie.

Ziel der Auswanderer war nicht nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten (USA). So wanderten im 17. und 18. Jahrhundert 80 Burgsteinfurter und 25 Borghorster nach Java, Sumatra und Ceylon aus.
Das erste Kapitel des Buches schildert, dass der Burgsteinfurter Kaufmann Hermann Krose, erfolgreicher Kaufmann im London des 14. Jahrhunderts, der Armenstiftung seiner Heimatstadt 60 englische Nobelmünzen schenkte. Als Quelle dient das älteste Protokollbuch der „Heiligen Geist-Stiftung“ von 1379 im Stadtarchiv.

„Westfalen wandern in alle Welt“ schreibt der Kartäusermönch Werner Rolevinck in 1474 in seinem „Buch zum Lobe Westfalens“. Er erzählt die Geschichte des Edlen Ludof von Steinfurt, der im Venedig des 15. Jahrhunderts seinen entlaufenen Leibeigenen trifft.

Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit Steinfurter Juristen, die zu Beratern von Königen und Kurfürsten im 16. und 17. Jahrhundert wurden. Der Burgsteinfurter Johann Friedrich Cramer wurde 1695 Erzieher des preußischen Kronprinzen.

Erster Borghorster Auswanderer nach Java war Engelbert Feldhaus, der am 7. August 1672 katholisch getauft wurde. Er heuerte bei der „Verenigde Oostindische Compagnie“ an. Mit dem Schiff „Bekestein“ segelte er 182 Tage von Texel nach Kapstadt, wo er am 15. April 1695 ankam. Das Schiff ankerte allerdings vom 18. Oktober bis zum 5. Dezember im Hafen von Portsmouth. 1697 kehrte er nach Texel zurück.
Das Buch schildert zahlreiche weitere Einzelschicksale, ergänzt durch Briefe in die „Heimat“.

1834 wird eine von der Obrigkeit verbreitete Predigt gegen die Auswanderung veröffentlicht.

Nicht immer war der Weg in die weite Welt von Erfolg gekrönt, denn um ausreisen zu dürfen, brauchte man eine Genehmigung. Wer sie nicht vorweisen konnte und aufgegriffen wurde, dem drohte die Verhaftung und ein gerichtliches Nachspiel. Insbesondere, wenn man sich der Militärpflicht entziehen wollte.


Anzeige