Klimaschutzmaßnahmen erfordert Investitionen in Höhe von rund 860 Milliarden Euro

Foto: privat

Klima & Umwelt

Vor fast vier Jahren haben der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Boston Consulting Group ihre seitdem vielzitierte Studie „Klimapfade für Deutschland“ vorgestellt. Angesichts der deutlich ambitionierteren deutschen und europäischen Klimaziele ist ein Update nötiger denn je. In „Klimapfade 2.0 - Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“ waren 80 Unternehmen und Industrieverbände mit mehr als 150 Expertinnen und Experten involviert. 

BCG hat die vom Gesetzgeber definierten Zielwerte als Annahme für alle Berechnungen gewählt. Die Schock-Berechnung der Industrie besagt, bis 2030 erzwingt die Umsetzung der bereits beschlossenen Klima-Maßnahmen Mehrinvestitionen in Höhe von 860 Milliarden Euro – knapp 100 Milliarden pro Jahr.

"Ein zentrales Ergebnis unserer Studie lautet: Die Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen erfordert bis 2030 Mehrinvestitionen in Höhe von rund 860 Milliarden Euro, die Staat, Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen aufbringen müssen. Das sind pro Jahr etwa 100 Milliarden Euro und ist deutlich mehr, als der Staat bislang jährlich insgesamt am Standort investiert – ein gewaltiger Kraftakt."

Das klimaneutrale Industrieland gibt es nicht zum Nulltarif – weder für Unternehmen noch für private Haushalte. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden längst nicht ausreichen, um die vorgeschlagenen Instrumente und den Ausgleich für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zu finanzieren. Es bleibt eine zusätzliche fiskalische Belastung, die auf ein Volumen von rund 50 Milliarden Euro allein im Jahr 2030 anwächst.

Mit den notwendigen Investitionssummen ist es für die neue Bundesregierung noch nicht getan – um es in der Sprache des Fußballs auszudrücken: „Geld allein schießt keine Tore.“ Die nächste Regierung muss den Weg zum klimaneutralen Deutschland entlang von zwei Leitplanken ausbauen:

• erstens der Umsetzung einer historisch einzigartigen Infrastrukturoffensive für einen massiven Ausbau von Strom-, Fernwärme-, CO2- und Wasserstoffnetzen, Lade- und Wasserstofftankstellen sowie Schienennetzen in Höhe von 240
Milliarden Euro bis 2030. 

• Zweitens einer Revolution bei Planungen und Genehmigungen durch Vereinfachung, Verkürzung und Digitalisierung der Verfahren sowie durch zusätzliche Kapazitäten in Behörden und Gerichten. Für jahrelange Verfahren auf der Basis von Papierausdrucken lassen die ehrgeizigen Klimaziele keine Zeit mehr.

Nach heutigem Fahrplan wird kein Sektor seine Klimaziele erreichen. Ohne sofortiges Umsteuern wird Deutschland bis 2030 etwa 184 Millionen Tonnen CO2 einsparen: Das sind nur 49 Prozent, nicht einmal die Hälfte von dem, was die bisherige Regierung beschlossen hat. Die nächste Bundesregierung muss umgehend handeln, konkrete Entscheidungen sind überfällig.

Strategische Steuerung bedeutet auch: nicht jedes Jahr aufs Neue ineffiziente Sofortmaßnahmen lostreten, falls eines der jährlichen Sektorziele des Klimaschutzgesetzes nicht ganz erreicht wird. Sondern: größer denken und ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft jetzt aufsetzen. 

Die gute Nachricht ist: Das Ziel Klimaneutralität bis 2045 ist überaus ehrgeizig, aber technologisch im Prinzip machbar. Doch es gibt dafür keine einfachen Lösungen. Ein höherer CO2-Preis allein wird es nicht richten. Und wer glaubt, dass sich angesichts der bevorstehenden Belastungen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrien mit ein paar steuerlichen Abschreibungen in klimafreundliche Investitionen sichern lässt – der ist bestenfalls naiv.

Zu diesen Instrumenten gehören die eben erwähnte Infrastrukturoffensive, etwa für Wasserstoffpipelines, genauso wie zum Beispiel Klimaschutzverträge, grüne Leitmärkte und Kaufanreize für Elektroautos.

Unsere Unternehmen müssen bei der Modernisierung ihrer Produktionsanlagen mittelfristig deutlich höhere Betriebskosten für CO2-arme Produktionsverfahren und CO2-freie Energieträger finanzieren.

Im Industriesektor sind schon bis 2030 rund 50 Milliarden Euro Investitionen in die Veränderung zentraler Produktionsprozesse wie für Stahl, Chemie und Zement notwendig – und nach 2030 müssen diese Investitionen fortgesetzt werden.

Doch das ist längst nicht die größte Herausforderung: Für die Industrie sind nicht nur die Kapitalkosten, sondern vor allem die deutlich höheren Betriebskosten von klimafreundlichen Technologien im Alltag die größte Herausforderung. Damit müssen sich die deutschen Industriestandorte dem internationalen Wettbewerb aus Ländern stellen, die ihre Transformation zu Klimaneutralität über einen sehr viel längeren Zeitraum strecken.

Gleichzeitig wird bis 2030 allein der Strombedarf in der Industrie durch die Elektrifizierung von industriellen Wärmeprozessen um 63 Terawattstunden steigen – diese Zunahme entspricht aktuell dem Strombedarf der gesamten
Schweiz. Und zwischen 2030 und 2045 wird sich dieser Trend fortsetzen. Die dafür notwendige Erzeugungsleistung muss verlässlich zur Verfügung stehen – auch in der Dunkelflaute. Die Politik muss die Unternehmen auf dem Weg in die Klimaneutralität so unterstützen, dass erneuerbare Energien und ihre Nutzung deutlich günstiger werden.

Sie muss international wettbewerbsfähige Energiekosten sichern, bestehende Entlastungsregeln beibehalten und die EEG-Umlage abschaffen.

Wenn wir scheitern würden, würden wir das Erfolgsmodell des Industrielands Deutschland zerstören und den Wohlstand des ganzen Landes gefährden.

Wir würden dann nicht nur hier in Deutschland die Akzeptanz verlieren, sondern auch andere Länder abschrecken. Wir wollen Vorbild bleiben, indem Klimaschutz made in Germany funktioniert. Dann sind diese Lösungen attraktiv auch für andere Länder, dann wirken die Verbesserungen nicht nur auf die deutschen zwei Prozent am globalen CO2-Fußabdruck, dann können wir einen wirklich entscheidenden Einfluss auf die Abwehr des Klimawandels haben.


Anzeige


Kleinanzeigen inserieren in der Zeitung


Medienberatung für gestaltete Anzeigen


Mediadaten Verlag Zeitung NRW Steinfurt