Begegnungen von Generationen

Freundlichkeit und ein liebevoller Umgang sind für Ingeborg Wildeboer (l.) und Carina Bohle wichtig. Foto: Caritas

Ibbenbüren

Tecklenburger Land. Wenn sich André Krüer (20) zur täglichen Pflege bei Ingrid Boes (71) einfindet, ist ein gutes Gespräch mit kleinen Späßen garantiert.

 

„Die jungen Leute heitern mich auf. Wenn An­dré kommt, dann ist die Pflege ganz toll“, sagt Ingrid Boes und lächelt. Das Kompliment hört der Auszubildende zum Altenpfleger im Caritas-Altenwohnhaus in Ibbenbüren natürlich gern. Er gehört zu den vielen jungen Menschen, die die Arbeitswelt und das Leben im Haus bereichern.

Doch auch der 20-Jährige aus Ibbenbüren-Dörenthe weiß, was er den alten Menschen um sich herum zu verdanken hat. „Ich habe gelernt, dass man glücklich und zufrieden sein kann, auch wenn man alt und krank ist. Und dass man keine Angst davor haben muss, alt zu sein“, sagt er. Nicht nur im Caritas-Altenwohnhaus sorgt ein gutes Miteinander der Generationen für einen regen Austausch von jugendlicher Frische und der Erfahrung von Jahrzehnten.

Mit ihrem Jahresthema zur Generationengerechtigkeit wirbt die Caritas in ganz Deutschland um ein solidarisches Miteinander von Jung und Alt. Wie wichtig das im Alltag ist, weiß Jörg Lammerskitten, Leiter des Caritas-Altenwohnhauses, nur zu gut. Fehlten die Jungen im Hause, verlören die Bewohner eine Menge, ist er überzeugt. „Die Unzufriedenheit unserer Bewohner würde wachsen. Die Frische, der Esprit wären weg“, sagt er. Kontakte zwischen Jung und Alt gibt es viele im Hause: Besuche von Kindergartenkindern, Auftritte von Volkstanzgruppen, Praktika von Schülern und Studenten, Tätigkeiten von Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) oder Bundesfreiwilligendienst (BFD) und natürlich durch die jüngeren Mitarbeiter in Pflege und Hauswirtschaft. Vor allem Besuche von Kindern seien etwas ganz Besonderes. „Das zaubert unseren Bewohnern sofort ein Lächeln ins Gesicht“, sagt Pflegedienstleiter Maik Feldmann.

Dabei erweisen sich Praktikanten oder jüngere Mitarbeiter als gute Brückenbauer zwischen den Generationen. „Früher haben sie mit den alten Menschen Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt. Heute lösen sie mit ihnen Kreuzworträtsel mit dem Smartphone“, hat Maik Feldmann beobachtet. Das macht zuweilen auch André Krüer. „Ich habe durch die Rätsel eine viel bessere Allgemeinbildung“, sagt er lachend. Er weiß genau, warum er sich für einen Beruf in der Altenpflege entschieden hat. „Man sieht zwar nicht wie ein Handwerker, was man geschafft hat, aber man bekommt so viel zurück“, sagt er. „Dankbarkeit und man spürt sofort, wie sehr man gebraucht wird.“

Das hat auch Carina Bohle (19) so erlebt. Seit dem vergangenen Jahr absolviert sie ein FSJ im Caritas-Altenwohnhaus. Was ihr ältere Menschen mitgegeben haben? „Ein besseres Verständnis vom Leben“, sagt sie. Die Begegnung mit den alten Menschen hat auch ihre Einstellung zum Tod verändert. „Hier sagen Leute: ,Ich habe alles gesehen, alles erlebt, es ist genug.’ Ich habe gelernt, dass ein Leben irgendwann nicht mehr lebenswert ist – und dass es dann auch gut ist.“ Dadurch habe der Tod für sie etwas von seinem Schrecken verloren. Gerne liest die junge Frau mit älteren Menschen in der Zeitung. „Ältere Menschen können die Zusammenhänge der aktuellen Ereignisse besser erklären“, sagt Carina Bohle. Wer den Zweiten Weltkrieg, die Nachkriegszeit und das Zusammenwachsen von Europa erlebt habe, könne aus eigener Erfahrung schildern, warum zum Beispiel der Brexit ein großes Problem ist, erklärt die junge Frau. „Und die Leute wissen so praktische Dinge: wie man Wäsche faltet, Flecken entfernt oder Bügelfalten behandelt“, ergänzt André Krüer.

Mit Ingeborg Wildeboer (82) ist Carina Bohle inzwischen gut vertraut. „Die haben eine ganz andere Welt“, meint die alte Dame mit Blick auf den Umgang junger Menschen mit WhatsApp und Co. Mit großer Neugier schaut sie sich zuweilen an, wie rasch ein Smartphone den Weg in die weite Welt ebnet. Den Kontakt zu den jungen Menschen um sie herum möchte Ingeborg Wildeboer auf keinen Fall missen. „Die geben einem so viel Liebe, sie sind freundlich. Das macht so viel aus.“