„Ein Kinderleben ist immer das Wichtigste“

Immer wieder wird die Chefärztin bei der Visite hinzugezogen. Foto: KHB/Meinrad Schade

Steinfurt

Seit 30 Jahren arbeitet Dr. Hiyam Marzouqa im Caritas Baby Hospital in Betlehem. Als Chefärztin trägt sie Verantwortung für die medizinische Ausrichtung des Kinderkrankenhauses. Für diese oft schwierige Aufgabe findet sie Kraft in ihrer Familie und im Glauben.

Schon als Kind wusste Hiyam Marzouqa, dass sie Kinderärztin werden will. Mit Bestnoten machte sie an der deutschsprachigen Schule in Bethlehem ihren Abschluss und erhielt ein Stipendium für ein Medizinstudium in Würzburg. Bei aller Freude über diese Chance fehlte ihr ihre Familie sehr. Täglich schrieb sie Briefe in die Heimat, auch wenn diese oft wochenlang unterwegs waren.

Großfamilie als Heimat

Bis heute ist die Verbindung zu ihren betagten Eltern und ihren sechs Geschwistern sehr eng. „Die Großfamilie ist meine Heimat, meine Wurzel. Ich kann und will nicht ohne sie sein“, erläutert sie. Ihre eigenen beiden Söhne leben im Ausland. Wie so viele junge, gut ausgebildete Menschen sehen sie kaum eine Lebensperspektive in der Region. Wenn möglich kommen sie an Weihnachten nach Bethlehem und feiern mit der ganzen Familie das Fest der Geburt Christi.
Diese Möglichkeit bot sich Hiyam Marzouqa während ihrer Studienzeit in Würzburg nicht. Am liebsten hätte sie Weihnachten damals aus dem Kalender gestrichen. Bis zum Heiligabend freute sie sich an den pittoresken Weihnachtsmärkten und gönnte sich gelegentlich ein Glas Glühwein.

„Aber den 24. Dezember konnte ich fernab der Familie kaum ertragen.“ Noch heute findet sie die Adventszeit in Europa wunderschön – aber nichts geht über Weihnachten in Bethlehem.
Vor genau 30 Jahren schloss Hiyam Marzouqa ihr Studium ab und machte ein Praktikum im Caritas Baby Hospital. Wenn die Kinderärztin auf diese Zeit zurückblickt, wird ihr bewusst, wie sehr sich die medizinische Versorgung in Palästina im Allgemeinen und im Caritas Baby Hospital im Speziellen weiterentwickelt hat. Inzwischen ist das Kinderkrankenhaus einer der ersten Ansprechpartner im Land, wenn es um pädiatrische Medizin geht.
Persönliche Kraftquelle

Fast jeden Tag geht Hiyam Marzouqa vor der Arbeit in die Geburtskirche in Bethlehem und zündet Kerzen an. Spaßend nennt sie dies „Blitz-Psychotherapie“. Dieses Ritual hilft ihr, Kinder mit schwierigen Diagnosen „Gott anzuempfehlen.“ Das Gebet ist ihre persönliche Kraftquelle, der Austausch im Team die professionelle.

„In unserem Beruf gibt es sehr schöne Erlebnisse, aber auch schwierige“, weiß sie aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung. Manchmal sterben Kinder trotz aller Bemühungen. Um in diesen bedrückenden Augenblicken weiter machen zu können, ist es wichtig, sich auf die positiven Aspekte der Arbeit im Krankenhaus zu fokussieren, zum Beispiel auf geheilte Patienten. „In den schwierigsten Momenten ist ein Kinderlachen die beste Motivation.“


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